Leitsatz (amtlich)
1. Die Ablehnung eines medizinischen Sachverständigen gem. §§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 2 ZPO ist nicht allein deshalb gerechtfertigt, weil sowohl das Krankenhaus, in dem der Sachverständige als Chefarzt tätig ist, als auch das beklagte Klinikum akademische Lehrkrankenhäuser derselben Universität sind.
2. Bei der für die Beurteilung maßgeblichen verobjektivierten Betrachtung besteht die Gefahr einer Rufschädigung aller akademischen Lehrkrankenhäuser im Falle des Nachweises eines Behandlungsfehlers in einem dieser Krankenhäuser nicht.
Normenkette
ZPO § 42 Abs. 2, § 406 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 14.11.2007; Aktenzeichen 15 O 25/2007) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 15. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 14.11.2007 - 15 O 25/07 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Wert der Beschwerde: 2.800 EUR.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen angeblicher ärztlicher Fehlbehandlung des Klägers im Krankenhaus in. Der Kläger wurde dort vom 8.5.2004 bis 1.6.2004 stationär behandelt, nachdem er aus vier Metern Höhe von einem Hausdach gestürzt war. Er macht geltend, er habe dabei neben zahlreichen anderen Verletzungen auch einen Speichenbruch am rechten Arm erlitten, der von den Ärzten im Krankenhaus in, das in Trägerschaft der Beklagten steht, behandlungsfehlerhaft übersehen worden sei.
Mit Beweisbeschluss gem. § 358a ZPO hat die 15. Zivilkammer des LG Stuttgart am 30.3.2007 PD Dr. F. M., Chefarzt der unfallchirurgischen Klinik des E.-Krankenhauses in R., zum medizinischen Sachverständigen bestellt und mit der Begutachtung beauftragt (Bl. 28 ff. d.A.).
Der Sachverständige legte sein Gutachten am 17.9.2007 vor (Bl. 39 ff. d.A.). Das Gutachten wurde den Parteien mit Verfügung des Berichterstatters vom 18.9.2007 übersandt (Bl. 35 d.A.).
Mit Schriftsatz vom 15.10.2007, eingegangen beim LG am 16.10.2007, warf der Kläger die Frage der Befangenheit des Sachverständigen auf (Bl. 62 ff. d.A.). Er führte aus, das E. krankenhaus in R., an dem der Sachverständige als Chefarzt tätig ist, sei wie das B. krankenhaus in U. ein akademisches Lehrkrankenhaus der Universität U. Dies habe sich für den Kläger erstmals aus dem Briefkopf des Gutachtens ergeben. Diese Verbindung könne den Gutachter veranlasst haben, sein Gutachten nicht neutral zu erstatten. Mit Schriftsatz vom 19.10.2007 wurde klargestellt, dass dieser Vortrag als Befangenheitsantrag zu verstehen sei (Bl. 73 d.A.).
Das LG hat mit Beschluss vom 14.11.2007 das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt (Bl. 79 d.A.). Die Tatsache, dass sowohl das B. krankenhaus in U. als auch das E. krankenhaus Lehrkrankenhäuser der Universität U. sind, begründe keine Besorgnis der Befangenheit. Akademische Lehrkrankenhäuser seien in die betreffende Universität nicht organisatorisch eingegliedert. Es bestehe auch kein besonderes Kollegialitätsverhältnis der an unterschiedlichen Lehrkrankenhäusern derselben Universität tätigen Ärzte, das den Sachverständigen zur Unparteilichkeit - gemeint ist offensichtlich: zur Parteilichkeit - verleiten könne.
Gegen diesen dem Klägervertreter am 16.11.2007 zugestellten Beschluss wurde am 29.11.2007 sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 83 d.A.). Diese wurde damit begründet, die Einstufung als akademisches Lehrkrankenhaus stelle eine Art "Gütesiegel" für ein Krankenhaus dar. Der negative Ausgang eines Rechtsstreits gegen ein akademisches Lehrkrankenhaus könne daher den Ruf anderer akademischer Lehrkrankenhäuser derselben Universität schädigen. Es bestehe die Besorgnis, dass der bestellte Sachverständige versuche, möglichen Schaden von der Reputation der Lehrkrankenhäuser der Universität U. abzuwenden.
Das LG hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 30.11.2007 (Bl. 85 f. d.A.) nicht abgeholfen und die sofortige Beschwerde dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.
Ein Sachverständiger kann gem. §§ 406 Abs. 1 S. 1, 42 Abs. 2 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Ein solcher Grund muss objektiv vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 42 Rz. 9 m.w.N. aus der Rechtsprechung; Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 42 Rz. 9; Musielak/Huber, ZPO, 5. Aufl., § 406 Rz. 4).
Mit der sofortigen Beschwerde nicht angegriffen ist die zutreffende Feststellung des LG, zwischen den Ärzten verschiedener akademischer Lehrkrankenhäuser derselben Universität bestehe kein besonderes Kollegialitätsverhältnis, das die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen würde.
Ein Befangenheitsgrund liegt aber auch mit Blick auf die mit der sofortigen Beschwerde geltend gemachte mögliche Rufschädigung aller akademischer Lehrkranke...