Entscheidungsstichwort (Thema)
Fiktive Einkünfte bei Verletzung der Erwerbsobliegenheit durch 17-jähriges Kind
Leitsatz (redaktionell)
Auch einen Minderjährigen trifft in der Zeit, in der er nicht zur Schule geht und auch keine Ausbildung absolviert, eine Pflicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Kommt der Minderjährige dieser Erwerbsobliegenheit nicht nach, muss er sich in erzielbarer Höhe fiktive Einkünfte zurechnen lassen.
Normenkette
BGB § 1602
Verfahrensgang
AG Heilbronn (Aktenzeichen 3 F 421/07) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Daher kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden (§ 114 ZPO).
Das FamG hat zu Recht und mit zutreffender Begründung Unterhaltsansprüche des Klägers verneint. Die dagegen erhobenen Einwendungen führen zu keiner davon abweichenden Beurteilung.
1. Gemäß § 1602 Abs. 1 BGB ist nur unterhaltsberechtigt, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Der Kläger kann für seinen Unterhalt jedoch selbst sorgen. Zwar mag es sein, dass er keine oder allenfalls geringe Einkünfte hat. Er muss sich aber fiktive Einkünfte zurechnen lassen, denn er verletzt seine Erwerbsobliegenheit. Auch Minderjährige trifft für die Zeit, in der sie nicht zur Schule gehen und auch keine Ausbildung absolvieren, eine Pflicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (OLG Rostock FamRZ 2007, 1267; OLGReport Brandenburg 2004, 425), sofern dem nicht Vorschriften des JugArbSchG entgegenstehen (Wendl-Scholz, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 2 Rz. 45), was bei dem 17jährigen Kläger nicht der Fall ist. Kommt das Kind dieser Erwerbsobliegenheit nicht nach, so muss es sich in erzielbarer Höhe fiktive Einkünfte, die es bedarfsdeckend einzusetzen hat, zurechnen lassen (OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 442). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er trotz hinreichender Bemühungen nicht in der Lage war, seinen Bedarf selbst zu decken, trägt der Unterhaltsberechtigte. Der Kläger hat zu von ihm entfalteten Erwerbsbemühungen nicht hinreichend konkret vorgetragen. Es ist daher davon auszugehen, dass er in der Lage ist, den von der Beklagten verlangten Unterhalt selbst zu erwirtschaften, würde er nur entsprechende Bemühungen entfalten (zur Zurechnung fiktiver Einkünfte auch OLG Köln, FuR 2005, 570).
Dieser Beurteilung steht das Urteil des OLG Köln (v. 20.4.2004 - 4 UF 229/03, FamRZ 2005, 301), auf das sich der Kläger beruft, nicht entgegen. Das Urteil beschäftigt sich mit einer Fallgestaltung, in der ein volljähriges Kind nach Schulabbruch und Jahren der Untätigkeit doch noch eine Ausbildung aufnahm. In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage, ob ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt (§ 1610 Abs. 2 BGB) noch bestehen kann, wenn der Unterhaltsberechtigte zuvor einige Jahre untätig zugebracht hat. In dem von ihm zu entscheidenden Fall hat das OLG Köln einen solchen Anspruch aufgrund der besonderen Persönlichkeitsstruktur des Unterhaltsberechtigten bejaht.
Anders als in dem vom OLG Köln entschiedenen Fall fordert der Kläger hier jedoch den Unterhalt nicht, damit er eine Ausbildung absolvieren kann. Vielmehr wünscht er, dass die Beklagte ihm ein Leben in Untätigkeit finanziert. Insofern vertritt aber auch das OLG Köln die Auffassung, dass für die Zeiten der Tatenlosigkeit keine Unterhaltsberechtigung besteht und sieht sogar - zu Recht - eine schwere Verfehlung des Unterhaltsberechtigten darin, dass er dem Verpflichteten nicht mitgeteilt hat, dass er die Schule abbrach.
Ob sich der Kläger ausreichend um eine Ausbildungsstelle bemüht hat, kann dahinstehen. Zwar sieht der Senat keine Anhaltspunkte für ausreichende Bemühungen, denn das vom Kläger vorgelegte Schreiben der ...-Schule vom 18.7.2007 (Anlage K 5) zeigt hinreichend deutlich, dass der Kläger offenkundig zu wenig Fleiß und Energie aufbringt, um schulischen Erfolg zu haben oder eine Ausbildungsstelle zu erlangen. Selbst wenn er aber nur aufgrund von ihm nicht zu beeinflussender Umstände einen Ausbildungsplatz nicht gefunden hätte, wäre er verpflichtet, so lange, bis er einen solchen Platz findet, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Daran ist er selbst dann nicht gehindert, wenn die Klägerin ihm, wie er behauptet, nicht genügend Halt oder Zuwendung gegeben haben sollte.
2. Selbst wenn man dem gegen die herrschende Meinung und gegen die Auffassung des Senats aufgrund des Rechtsgedankens aus § 1611 Abs. 2 BGB, dass einem Minderjährigen Verfehlungen nicht entgegengehalten werden können, von einer Unerheblichkeit der Obliegenheitsverletzung in Bezug auf die Bedarfsdeckung fiktiver Einkünfte ausgehen würde, hätte die beabsichtigte Berufung keine Aussicht auf Erfolg. Sie und bereits die Klage wären unschlüssig, weil die Aufteilung der Barunterhaltspflicht unter den Eltern des Klägers, ggf. unter Berücksichtigung geleisteten Naturalunterhalts, nicht nachvollziehbar dargestellt wird (§ 1606 Abs. 3 S. 1 BGB). Dabei geht d...