Leitsatz (amtlich)
Der Erstattungsanspruch einer ausländischen Partei hinsichtlich der Mehrkosten eines Verkehrsanwalts im Ausland (hier: London) wird in der Höhe durch die Gebührensätze des deutschen Rechts begrenzt (teilweise Änderung der Senatsrechtsprechung; Anlehnung an EuGH v. 11.12.2003 - Rs. C-289/02, MDR 2004, 358 = NJW 2004, 833).
Verfahrensgang
LG Ulm (Beschluss vom 27.03.2003; Aktenzeichen 10 O 264/97 KfH) |
Nachgehend
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim LG Ulm vom 27.3.2003 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: (14.487,07 Euro × ° =) 10.865,30 Euro.
Gründe
I. Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren noch darüber, inwieweit die bei der Beklagten angefallenen Kosten ihres englischen Rechtsanwalts erstattungsfähig sind.
1. Die Beklagte, eine (beschränkt haftende) Gesellschaft englischen Rechts mit Sitz in London, hatte 1995 bei der (damals) in Ulm sitzenden Herstellerin eine Partie Textilien für 43.898,10 DM (= 22.444,69 Euro) "ab Werk" gekauft. Die einer internationalen Spedition als Frachtführer in Ulm übergebene Ware ist vor Ablieferung auf einem Parkplatz in London verbrannt, möglicherweise nach Brandstiftung. Die Klägerin, ein Versicherungsunternehmen italienischen Rechts mit Sitz in Florenz, bei der die Herstellerin das Risiko eines solchen Verlusts versichert hatte, hat nach Leistung des ausgefallenen Kaufpreises die beklagte Käuferin aus abgetretenem Recht auf Kaufpreiszahlung in Anspruch genommen; nach Zahlungsverweigerung seitens der Käuferin hat sie Ende 1997 Klage beim LG Ulm erhoben unter Berufung darauf, dass dem Kaufvertrag die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Verkäuferin zugrunde liegen, aus denen sich nicht nur die Anwendbarkeit deutschen Rechts, sondern auch der deutsche Gerichtsstand ergibt. Die Beklagte hat u.a. die Maßgeblichkeit dieser Klauseln und damit die Zuständigkeit des LG Ulm bestritten.
Nach mehreren mündlichen Verhandlungen, zahlreichen gerichtlichen Hinweisen und langwierigen außergerichtlichen Erledigungsbemühungen haben die Parteien angesichts der ungeklärten Zuständigkeitsfrage schließlich auf Vorschlag des Gerichts im November 2002 vor dem LG einen Vergleich geschlossen, nach dem die Beklagte 6.000 Euro (nebst Zinsen) an die Klägerin zu zahlen hat; die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 1/2 und die Beklagte zu 1/4 übernommen. Die bereits zuvor aufgeworfene Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten des Anwalts der Beklagten in England hat im Vergleich keinen ausdrücklichen Niederschlag gefunden.
2. Im nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren hat die Beklagte - neben den unstreitigen Gebühren für ihren Prozessbevollmächtigten in Ulm (40/10 zzgl. Pauschale) i.H.v. 2.771,21 Euro und 443,39 Euro Mehrwertsteuer - (umgerechnete) Kosten von 16.129,95 Euro für zwei Londoner Rechtsanwälte zum Kostenausgleich angemeldet. Die Klägerin hatte zunächst - neben den Kosten für ihren Ulmer Prozessvertreter i.H.v. 2.771,21 Euro zzgl. Mehrwertsteuer - Kosten für einen Korrespondenzanwalt in Italien und einen weiteren Anwalt in London i.H.v. 24.425,25 Euro geltend gemacht.
In einem ersten Festsetzungsbeschluss vom 31.1.2003 hatte der Rechtspfleger zunächst die Korrespondenzanwaltskosten der Beklagten auf Grund unterstellten Einverständnisses in voller Höhe berücksichtigt, auf Klägerseite jedoch wegen des Widerspruchs der Beklagten nur eine 10/10 Korrespondenzgebühr nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer in Ansatz gebracht, woraus sich ein Erstattungsanspruch der Beklagten von 12.324,66 Euro ergab. Auf die Beschwerde der Klägerin gegen die volle Berücksichtigung der Kosten der Beklagten hatte der Rechtspfleger diesen Beschluss im Wege der Abhilfe durch Beschluss vom 27.3.2003 wieder aufgehoben.
Im (neuen) Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27.3.2003 hat der Rechtspfleger - neben den jeweils unbestrittenen Kosten der deutschen Prozessbevollmächtigten - für die Klägerin wiederum eine fiktive Verkehrsanwaltsgebühr i.H.v. 821,44 Euro als festsetzungsfähig berücksichtigt, während er auf Beklagtenseite zwei Korrespondenzanwaltsgebühren nebst Pauschale und Mehrwertsteuer, zusammen 1.642,88 Euro, als angemessen in den Kostenausgleich einbezogen hat; der (weitere) Gebührenaufwand i.H.v. über 14.000 Euro erscheine für das vorliegende Verfahren "nicht nachvollziehbar". Danach ergibt sich ein von der Klägerin an die Beklagte zu leistender Erstattungsbetrag i.H.v. 2.458,21 Euro.
Gegen diese Festsetzung wendet sich nunmehr die Beklagte mit der (sofortigen) Beschwerde vom 2.5.2003, mit der sie die volle Festsetzung der in England angefallenen Korrespondenzanwaltskosten weiter verfolgt. Zu diesem Zwecke hat sie umfangreiche Abrechnungsunterlagen zur Glaubhaftmachung vorgelegt. Die Klägerin ist dem Rechtsmittel entgegengetreten, hat ihrerseits aber gegen...