Verfahrensgang
AG Stuttgart-Bad Cannstatt (Entscheidung vom 19.05.2011; Aktenzeichen 8 F 972/10) |
Nachgehend
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners Ziffer 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt -Familiengericht- vom 19.05.2011 -8 F 972/10-
a b g e ä n d e r t.
1.
Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Richtervorlagen des AG Hamburg-Altona vom 15.04.2010 -350 F 118/09- und des OLG Bremen vom 07.03.2011 -4 UF 76/10- in erster Instanz ausgesetzt.
2.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsgegner Ziffer 1 wurde am 08.02.2005 nichtehelich geboren. Seine Mutter ist serbische Staatsangehörige. Der Antragsgegner Ziffer 2, deutscher Staatsangehöriger, hat am 06.04.2006 beim Jugendamt der Stadt S. die Vaterschaft zum Antragsgegner Ziffer 1 anerkannt, die Mutter hat am selben Tag ihre Zustimmung erteilt. Zwischen den Beteiligten besteht unstreitig keine sozialfamiliäre Beziehung.
Mit Schriftsatz vom 22.07.2010 hat das Regierungspräsidium als anfechtungsberechtigte Behörde gem. § 1600 Abs. 6 BGB das Vaterschaftsanerkenntnis angefochten.
Mit Beschluss vom 19.05.2011 hat das Amtsgericht den Antrag des Antragsgegners Ziffer 1 abgewiesen, das Verfahren im Hinblick auf die Vorlagen gem. Art 100 GG des AG Hamburg-Altona und des OLG Bremen an das BVerfG auszusetzen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss (Bl. 151-155 d.A.) Bezug genommen.
Gegen diese am 25.05.2011 zugestellte Entscheidung wendet sich der Antragsgegner Ziffer 1 mit seiner am 01.06.2011 beim Amtsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Er hält eine Aussetzung des Verfahrens für zwingend geboten.
II.
Die nach § 21 Abs. 2 FamFG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde des Antragsgegners Ziffer 1 ist begründet.
Zwar ist der Senat nicht völlig davon überzeugt, dass § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB gegen das Grundgesetz, insbesondere gegen Art 3 und 6 GG oder gegen das Rückwirkungsverbot verstößt ( für einen Verstoß AG Hamburg-Altona Beschluss vom 15.04.2010 -350 F 118/09 -[...] und OLG Bremen Beschluss vom 07.03.2011 -4 UF 76/10, FamRZ 2011, 1073; a.A. OLG Naumburg Beschluss vom 25.08.2010 -3 UF 106/10, FamRZ 2011, 383; OLG Oldenburg Beschluss vom 12.05.2009 -13 UF 19/09, FamRZ 2009, 1925; Hess. VGH Beschluss vom 17.06.2009 -7 D 1536/09, FamRZ 2009, 1928) und haben entgegen der mit der Beschwerde vertretenen Ansicht die Vorlagen des AG Hamburg-Altona und des OLG Bremen nicht zwingend zur Folge, dass das vorliegende Verfahren auszusetzen ist (Keidel/Sternal, FamFG, 16. Aufl., § 21 Rn.16). Jedoch ist eine Aussetzung des Verfahrens auch dann in Betracht zu ziehen, wenn das Gericht die Norm zwar für verfassungsgemäß hält, aber auf Vorlage eines anderen Gerichts ein Verfahren nach Art 100 GG beim BVerfG anhängig ist. Die anderweitige Vorlage stellt einen wichtigen Grund im Sinne vom § 21 FamFG dar (Schulte-Buhnert/Weinreich/Brinkmann, FamFG, § 21 Rn. 17; MüchKommZPO/Pabst, § 21 FamFG Rn.12).
Die Entscheidung, ob bei Vorliegen eines wichtigen Grundes tatsächlich ausgesetzt wird, liegt dabei im richterlichen Ermessen. Eine entsprechende Abwägung hat das Amtsgericht nicht vorgenommen, da es in seiner Entscheidung allein auf die Frage der Verfassungswidrigkeit von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB abgestellt hat. In diese Abwägung sind insbesondere die möglichen Nachteile einer Fortsetzung des Verfahrens einzubeziehen, die den Beteiligten entstehen, wenn später das BVerfG die Vorschrift des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB für verfassungswidrig erklären sollte. Diese sind abzuwägen gegen die Nachteile, die bei Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des BVerfG entstehen können (vgl. dazu auch BVerfG Beschluss vom 07.10.2010 -1 BvR2509/10-, FamRZ 2010, 528). Die Abwägung aller Umstände spricht für eine Aussetzung des Verfahrens und gegen eine Fortsetzung, bei der als nächstes die Vaterschaft des Antragsgegners Ziffer 1 zu klären wäre.
Fundstellen