Leitsatz (amtlich)
1. Bejaht ein erstinstanzliches Gericht im Prozesskostenhilfeverfahren seine sachliche Zuständigkeit und weist den Prozesskostenhilfeantrag aus anderen Gründen wegen fehlender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage zurück, kommt das Beschwerdegericht hingegen zum Ergebnis, dass ein anderes erstinstanzliches Gericht sachlich zuständig ist, so hat es den angegriffenen Beschluss bei Vorliegen eines (hilfsweisen) Verweisungsantrags trotz § 571 Abs. 2 S. 2 ZPO aufzuheben und das Prozesskostenhilfeverfahren ohne Entscheidung in der Sache an das sachlich zuständige erstinstanzliche Gericht zu verweisen (Fortführung von BGH NJW-RR 2004, 1437).
2. Wendet sich der Kläger einer Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) mit der Behauptung gegen einen Räumungstitel, dass er aufgrund eines Wohnraummietvertrags zum Besitz berechtigt sei, so ist für die Klage unabhängig von der Rechtsnatur des Räumungstitels ausschließlich das AG sachlich zuständig (§ 23 Nr. 2 lit. a GVG).
3. Ein Mietvertrag liegt (in Abgrenzung zu einer Leihe) schon dann vor, wenn der Nutzer nur die Betriebskosten der genutzten Räumlichkeiten zu tragen hat.
Normenkette
BGB §§ 535, 566, 598; GVG §§ 29, 29a, 71; ZPO § 127 Abs. 2 S. 2, § 571 Abs. 2 S. 2, §§ 771, 802; ZVG § 93
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 09.07.2009; Aktenzeichen 25 O 181/09) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG Stuttgart vom 9.7.2009 (25 O 181/09) aufgehoben.
2. Das Prozesskostenhilfeverfahren wird auf den Hilfsantrag der Antragstellerin (Schriftsatz vom 26.5.2009 S. 2 = Bl. 69 d.A.) an das AG Böblingen zur Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag in eigener Zuständigkeit verwiesen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird für die Antragstellerin zugelassen.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt beim LG Prozesskostenhilfe für eine Drittwiderspruchsklage, mit der sie sich gegen die Zwangsräumung aufgrund eines Zuschlagsbeschlusses in der Zwangsversteigerung wehren will. Hilfsweise hat sie die Verweisung ans AG beantragt.
Der Sohn der Antragstellerin war Eigentümer eines Hausgrundstückes. In der Erdgeschosswohnung wohnt die Antragstellerin. Nach dem Tod ihres Sohnes wurde das Hausgrundstück zwangsversteigert, die Antragsgegner erhielten den Zuschlag und haben nach Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung die Zwangsräumung der Antragstellerin begonnen.
Die Antragstellerin behauptet, dass sie mit ihrem Sohn für sich und ihren inzwischen ebenfalls verstorbenen Ehemann einen Mietvertrag abgeschlossen habe. Sie meint, deswegen zum Besitz an der Erdgeschosswohnung berechtigt zu sein.
Die Antragsgegner rügen die sachliche Zuständigkeit des LG. In der Sache halten sie den Mietvertrag für eine Fälschung, hilfsweise handele es sich um ein Scheingeschäft aus steuerlichen Gründen. Jedenfalls seien die Antragstellerin und ihr Sohn nachträglich übereingekommen, dass die Antragstellerin keine Mietzinszahlungen zu erbringen habe.
Das LG hat seine sachliche Zuständigkeit unter Berufung auf eine Entscheidung des OLG Stuttgart in FamRZ 1982, 401 bejaht. Dennoch hat es den Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt, weil es im Wege antezipierter Beweisaufnahme davon ausging, dass ein zwischen der Klägerin und ihrem Sohn geschlossener Mietvertrag jedenfalls nachträglich konkludent in einen Leihvertrag abgeändert worden sei, da sich die Antragstellerin nur noch an den Betriebskosten beteiligt habe, und weil § 566 BGB für Leihverträge nicht gelte, so dass die Antragstellerin den Antragsgegnern gegenüber kein Recht zum Besitz habe.
Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin.
II. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat der Senat den Beschluss des LG nur aufzuheben und die Sache ohne weitere Entscheidung in der Sache auf den Hilfsantrag der Antragstellerin an das AG zu verweisen, weil das AG für die Klage sachlich ausschließlich zuständig ist (nachstehend 1.), der Senat somit (eine Zuständigkeit des Senats nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG scheidet ersichtlich aus) in einem Hauptsacheverfahren nicht zur Entscheidung berufen wäre und ihm daher eine eigene Sachentscheidung verwehrt ist (BGH NJW-RR 2004, 1437 juris-Rz. 10). Dieser Grundsatz geht § 571 Abs. 2 S. 2 ZPO vor (nachstehend 2.).
1. Die im Eilverfahren noch offen gebliebene Frage nach der sachlichen Zuständigkeit ist dahingehend zu beantworten, dass das AG wegen § 23 Nr. 2 lit. a GVG ausschließlich zuständig ist.
a) Die Abgrenzung der sachlichen Zuständigkeit zwischen AG und LG erfolgt nicht nur nach §§ 93 ZVG, 771, 802 ZPO i.V.m. § 23 Nr. 1, 71 Nr. 1 GVG.
Allein aus § 802 ZPO lässt sich die Frage nach der sachlichen Zuständigkeit nicht beantworten. Dies scheitert schon daran, dass die Norm lediglich die Verbindlichkeit der sonst im 8. Buch der ZPO bestimmten Gerichtsstände festlegt.
Ist damit auf § 771 ZPO selbst abzustellen, so regelt sein Wortlaut nicht selbst, ob das Amts- oder das LG für die Drittwiderspruchsklage zuständig ist. Denn er legt nur den "Bezirk" und d...