Entscheidungsstichwort (Thema)
Familiensache. Wohnungszuweisung. Erinnerung gegen Klauselerteilung
Leitsatz (amtlich)
Wenn einer Entscheidung auf Zuweisung der Ehewohnung an einen Ehepartner die Aufforderung fehlt, dass der andere Ehepartner die Wohnung (eventuell binnen einer bestimmten Frist) zu räumen hat, ist eine auf Räumung gemäß § 885 ZPO gerichtete Zwangsvollstreckung unzulässig, da dem Titel insoweit ein vollstreckungsfähiger Inhalt fehlt. Die Erteilung einer Vollstreckungsklausel kommt deshalb in einem solchen Fall nicht in Betracht.
Normenkette
ZPO §§ 885, 732, 620
Beteiligte
Rechtsanwalt Maximilian Stier |
Rechtsanwälte Filius und Kollegen |
Verfahrensgang
AG Ulm (Aktenzeichen 4 F 731/98) |
Tenor
1. Auf die Erinnerung der Antragstellerin wird die Zwangsvollstreckung aus der am 17.7.2001 dem Antragsgegner erteilten Vollstreckungsklausel betreffend den Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Ulm vom 2.3.2001 (Bl. 448 bis 449 der Akten)
für unzulässig erklärt.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des vorliegenden Verfahrens.
3. Der Streitwert beträgt 6.000,00 DM
4. Der Antragsstellerin wird für das vorliegende Verfahren Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlungen unter Beiordnung von Rechtsanwalt Stier, Ehingen, bewilligt.
5. Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für vorliegendes Verfahren wird mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt
Gründe
Die nach § 732 ZPO zulässige Erinnerung der Antragstellerin gegen die am 17.7.2001 durch den Urkundsbeamten des Gerichts erteilte Vollstreckungsklausel hat in der Sache Erfolg.
Nach § 732 ZPO kann gerügt werden, daß die Klausel unzulässig erteilt ist, weil einem Titel ein vollstreckungsfähiger Inhalt fehlt (vgl. Zöller 22. Aufl. § 732 ZPO RN 5, 8).
Die Vollstreckung einstweiliger Anordnungen in Ehewohnungszuweisungsverfahren richtet sich nach der ZPO.
Die im Beschluß des Familiengerichts vom 2.3.2001 enthaltene Anordnung
„Die Ehewohnung der Parteien, das Hausgrundstück Eugen-Bolzstraße 80, 89075 Ulm, wird zur alleinigen Nutzung dem Antragsgegner zugewiesen”
bietet keine hinreichende Grundlage für eine auf Räumung gerichtete Zwangsvollstreckung nach § 885 Abs. 1 ZPO. Wenn einer Entscheidung auf Zuweisung der Ehewohnung an einen Ehepartner die Aufforderung fehlt, die Wohnung – binnen einer bestimmten Frist – zu räumen, ist eine auf Räumung gerichtete Zwangsvollstreckung nach nahezu einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur nicht rechtens (vgl. Zöller § 620 ZPO RN 72, LG Itzehoe FamRZ 87, 176 f. m.w.N.). Auch Brehm und Schlosser in der neuesten Kommentierung von Stein/Jonas, 21. Auflage, § 885 RN 1, § 620a RN 10 sowie das OLG Hamburg in FamRZ 1983, 1151 vertreten entgegen der Meinung des Antragsgegners keine andere Ansicht. Aus den Gründen des veröffentlichten Textes dieses OLG-Beschlusses ergibt sich, daß dort vom Familiengericht nicht nur – wie vorliegend – die Ehewohnung einem Ehepartner zur alleinigen Nutzung zugewiesen wurde, sondern daß der anderen Ehepartner gleichzeitig angewiesen wurde, die Wohnung innerhalb einer bestimmten Frist zu räumen.
Daß das Familiengericht nach allgemeiner Meinung auch ohne entsprechenden Antrag des Antragsgegners (entgegen § 308 ZPO) im Beschluß vom 2.3.2001 eine Räumungsanordnung hätte treffenkönnen, ändert am Ergebnis nichts; es hat jedenfalls keine solche Räumungsanordnung getroffen, und ohne solche Anordnung ist jedenfalls, wie ausgeführt, der Titel nicht nach § 885 ZPO vollstreckbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über den Streitwert auf § 12 GKG i.V.m. § 3 ZPO.
Unterschriften
Amelung Vors. Richter am OLG, Kodal Richter am OLG, Schiele Richter am AG
Fundstellen
Haufe-Index 675062 |
FamRZ 2002, 559 |
EzFamR aktuell 2002, 107 |
OLGR-KS 2002, 23 |