Leitsatz (amtlich)
Auch ein Zwangsvollstreckungsverfahren ist eine Geschmacksmusterstreitsache im Sinn des § 52 Abs. 1 GeschmMG, wenn die Gefahr besteht, dass die Parteien über den objektiven Umfang einer Verpflichtung aus einer Geschmacksmusterstreitsache streiten. Die Gefahr besteht insb. bei der Unterlassungsvollstreckung. Die Kosten eines mit diesem Verfahren befassten Patentanwalts sind zu erstatten, ohne dass es auf die Notwendigkeit seiner Mitwirkung ankommt.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1; GeschmMG § 52 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 22.02.2005; Aktenzeichen 41 O 186/04 KfH) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des LG Stuttgart vom 22.2.2005 dahin abgeändert, dass die aufgrund des Beschlusses des LG Stuttgart vom 12.1.2005 von den Schuldnern als Gesamtschuldner an die Gläubigerin zu erstattenden Kosten auf 451,60 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 8.2.2005 festgesetzt werden.
2. Die Schuldner tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 225,80 EUR.
Gründe
I. Mit Beschluss des LG Stuttgart vom 15.11.2004 war es den Schuldnern unter der Ziff. 1 untersagt worden, die in diesem Beschluss abgebildete Felge anzubieten, in Verkehr zu bringen, einzuführen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen. Gemäß Ziff. 2 dieses Beschlusses wurde den Schuldnern aufgegeben, Auskunft zu erteilen über Herkunft und Vertriebswege von Felgen gem. der Untersagungsverfügung in Ziff. 1.
Die Gläubigerin beantragte mit Schriftsatz vom 1.12.2004, gegen die Schuldner wegen Nichterteilens der Auskunft ein Zwangsmittel festzusetzen. Nach Erteilung der Auskunft mit Schreiben vom 30.11.2004 erklärte die Gläubigerin ihren Zwangsmittelantrag für erledigt. Das LG Stuttgart erlegte den Schuldnern durch Beschl. v. 12.1.2005 die Kosten des Zwangsmittelverfahrens auf. Mit Antrag vom 4.2.2005 begehrte die Gläubigerin die Festsetzung ihrer Kosten für ihren Prozessbevollmächtigten und der mitwirkenden Patentanwälte. Mit Beschl. v. 22.2.2005 setzte der Rechtspfleger des LG Stuttgart gegen die Schuldner die Kosten des Prozessbevollmächtigten der Gläubigerin fest und lehnte die Festsetzung der Kosten des Patentanwaltes ab, da dessen Mitwirkung im Vollstreckungsverfahren nicht erforderlich gewesen sei. Gegen diesen der Gläubigerin am 1.3.2005 zugestellten Beschluss hat sie am 7.3.2005 die sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie die Festsetzung der Patentanwaltskosten weiter verfolgt. Hierzu legte sie die Kostennote der mitwirkenden Patentanwälte vor. Die Schuldner sind der sofortigen Beschwerde entgegengetreten, weil in Zwangsvollstreckungsverfahren § 52 GeschmMG nicht anzuwenden sei und die Patentanwälte nicht tätig geworden seien. Der Rechtspfleger des LG Stuttgart hat mit Beschl. v. 17.3.2005 erklärt, der sofortigen Beschwerde nicht abzuhelfen, und hat die Akten dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde (§ 104 Abs. 3 S. 1 ZPO) ist in der Sache begründet.
1. In Geschmacksmusterstreitsachen sind die Kosten, die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts entstehen, in Höhe der Gebühren nach § 13 RVG sowie die notwendigen Auslagen des Patentanwalts zu erstatten (§ 52 Abs. 1, Abs. 4 GeschmMG). Ob die Mitwirkung eines Patentanwalts in der Geschmacksmusterstreitsache notwendig war, ist dabei unerheblich (Ingerl/Rohnke, Markengesetz 2. Aufl., § 140 Rz. 71 zur vergleichbaren Problematik des § 140 Abs. 3 MarkenG).
a) Der Begriff der Geschmacksmusterstreitsache ist grundsätzlich großzügig zu bestimmen und nicht auf das Erkenntnisverfahren beschränkt. Auch ein Zwangsvollstreckungsverfahren kann eine Geschmacksmusterstreitsache im Sinn des § 52 Abs. 1 GeschmMG sein (a.A. OLG Hamburg JurBüro 1986, 1906; JurBüro 1980, 1728 [1729]). Allerdings ist nicht jedes Zwangsvollstreckungsverfahren nach einer Geschmacksmusterstreitsache als solche zu qualifizieren. Keine Veranlassung zur Annahme einer Geschmacksmusterstreitsache besteht z.B. bei der Vollstreckung einer Schadensersatzforderung aufgrund der Verletzung eines Geschmacksmusters (OLG Frankfurt Rpfleger 1979, 148 [149]). Eine Geschmacksmusterstreitsache liegt jedoch in einem Zwangsvollstreckungsverfahren dann vor, wenn die Gefahr besteht, dass die Parteien über den objektiven Umfang einer Verpflichtung aus einer Geschmacksmusterstreitsache streiten. Die Gefahr besteht insb. bei der Unterlassungsvollstreckung (OLG München WRP 1978, 313; OLG Frankfurt Rpfleger 1979, 148 [149]; OLG Düsseldorf v. 14.6.1983 - 10 W 62/83, Rpfleger 1983, 496). Nachdem hier der Auskunftsanspruch, der Grundlage der Zwangsvollstreckung ist, die streitgegenständliche Felge zum Gegenstand hat, ist auch im Zwangsvollstreckungsverfahren ein Streit darüber nicht ausgeschlossen, welche Gegenstände noch in den Auskunftsanspruch fallen und welche nicht. Insoweit stellt sich die Gefahr einer...