Leitsatz (amtlich)
Die Zulässigkeit von Auslieferungshaft nach Eingang eines Auslieferungsersuchens der Griechischen Republik setzt voraus, dass binnen angemessener Frist eine individuelle Zusicherung des ersuchenden Staates dahingehend vorliegt, dass die verfolgte Person für den Fall ihrer Inhaftierung in Griechenland durchgängig in einer Justizvollzugsanstalt untergebracht wird, deren Standards den Anforderungen der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 bzw. den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen vom 11. Januar 2006 entsprechen und dort jederzeit von deutschen Konsularbeamten besucht werden darf. Abstraktgenerelle amtliche Erklärungen zu allgemeingültigen griechischen Strafvollzugsprinzipien genügen nicht.
Normenkette
IRG § 73 S. 2; Vertrag über die Europäische Union Art. 6; EMRK Art. 3
Tenor
Der Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 15. Dezember 2015 bleibt
aufrechterhalten.
Die Außervollzugsetzung des bezeichneten Auslieferungshaftbefehls wird
angeordnet.
Der Verfolgte ist in vorliegender Sache
auf freien Fuß
zu setzen.
Der Verfolgte wird für die Zeit der Haftverschonung
angewiesen,
- wieder an seiner letzten (amtlichen) Meldeadresse in ..., Wohnung zu nehmen und jeden Wohnsitzwechsel unverzüglich schriftlich der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart, Olgastraße 2, 70182 Stuttgart, zum Aktenzeichen 13 Ausl. A 321/15 anzuzeigen;
- sich wöchentlich jeden Donnerstag bei dem für seinen Wohnsitz zuständigen Polizeirevier ..., zu melden, und zwar erstmalig am 28. April 2016.
- Wenn dem Senat die Zusicherung der griechischen Behörden, dass der Verfolgte für den Fall seiner Auslieferung in einer griechischen Haftanstalt untergebracht wird, die den Anforderungen der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 bzw. den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen vom 11. Januar 2006 entspricht, nicht bis zum 6. Juni 2016 vorliegt, wird der Senat über die Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls entscheiden.
Gründe
I.
1. Durch Ausschreibung im Schengener Informationssystem und Übersendung eines Europäischen Haftbefehls, ausgestellt durch die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Athen am 3. Juli 2015 (Az.: FE 7399), ersuchen die Justizbehörden der Griechischen Republik um (Festnahme und) Auslieferung des griechischen Staatsangehörigen B. zum Zwecke der Strafverfolgung.
2. Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart erließ der Senat im Zuge dessen am 15. Dezember 2015 einen Auslieferungshaftbefehl. Auf dieser Grundlage wurde der Verfolgte am 29. Dezember 2015 in S. festgenommen; er befindet sich seither in Auslieferungshaft in der JVA ... .
II.
Die gemäß § 26 Abs. 1 S. 2 IRG spätestens zum 25. April 2016 vorzunehmende Haftprüfung ergibt, dass die Voraussetzungen für die Anordnung der Auslieferungshaft (§ 15 IRG) weiter vorliegen: Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird insoweit auf die in den Entscheidungen des Senats vom 15. Dezember 2015 (Auslieferungshaftbefehl) sowie 25. Februar 2016 (Haftprüfung) dargelegten Gründe Bezug genommen. Ergänzend hierzu ist (nunmehr) Folgendes zu bemerken: Zwar besteht weiter Fluchtgefahr; jedoch kann der Vollzug des Auslieferungshaftbefehls ausgesetzt werden, weil weniger einschneidende Maßnahmen (zwischenzeitlich) die Gewähr bieten, dass der Zweck der Auslieferungshaft auch durch sie erreicht wird (§ 25 Abs. 1 IRG); hierzu im Einzelnen:
1. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2015 (Az.: III-3 AR 15/15) hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf (u. a.) entschieden, dass die Auslieferung eines im dortigen Verfahren Verfolgten "an die griechische Regierung" zum Zwecke der Strafverfolgung unzulässig sei. Zur Begründung wurde u. a. Folgendes angeführt:
"Der Zulässigkeit der Auslieferung steht ein Auslieferungshindernis nach § 73 Satz 2 IRG i. V. m. Art. 6 des Vertrages über die Europäische Union und Art. 3 MRK entgegen. Hiernach ist eine Auslieferung in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union unzulässig, durch die gegen die in Art. 6 des EUVtr enthaltenen Grundsätze verstoßen würde. (...) Vorliegend besteht die Gefahr, dass der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung in Griechenland in einer Justizvollzugsanstalt inhaftiert werden könnte, die europäischen Mindeststandards nicht genügt bzw. in der er einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre. (...)"
Nach Bezugnahmen auf einen Bericht des Komitees des Europarates zur Verhütung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) vom 16. Oktober 2014 sowie auf eine behördliche Auskunft des Auswärtigen Amts vom 12. März 2015 heißt es im bezeichneten Beschluss weiter wie folgt:
"Daher erscheint es nicht durchgehend gewährleistet, dass die Haftbedingungen den Anforderungen der MRK bzw. den Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen der Vereinten Nationen (vom 13. Mai 1977) und/oder den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen vom 11. Januar 2006 entsprechen. (...) Diese au...