Verfahrensgang
LG Ulm (Urteil vom 01.08.2024; Aktenzeichen 10 O 43/24 KfH) |
Tenor
Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Ulm vom 01.08.2024, Geschäftszeichen: 10 O 43/24 KfH, wird gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 EUR einstweilen eingestellt. Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe
A Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) wendet sich als Gesellschafterin der Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagten) im Wege der einstweiligen Verfügung gegen die Vollziehung eines Gesellschafterbeschlusses der Beklagten.
Die Klägerin wurde im November 2010 gegründet. Sie ist Teil der J.-Gruppe, einer globalen Unternehmensgruppe mit Hauptsitz in C., VR China. Komplementärin der im Handelsregister des Amtsgerichts Ulm registrierten Beklagten ist die E. Management GmbH, diese ist gem. Ziff. 6.1 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten auch deren Geschäftsführerin. Die Beklagte ist Teil der E.-Gruppe, die als weltweiter Anbieter von Maschinen und Produktionssystemen für die Bearbeitung von Metallpräzisionsteilen - z.B. Dreh- und Fräsmaschinen - tätig ist. Die Beklagte fungiert als Holding-Gesellschaft der Gruppe, die Beteiligungen an zahlreichen Tochtergesellschaften im In- und Ausland hält.
Gem. Ziff. 4.5 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten (Anlage K3) ist die ordnungsgemäß einberufene Gesellschafterversammlung beschlussfähig, wenn mindestens 75 % des Festkapitals der Gesellschaft anwesend oder vertreten sind.
Gemäß Ziff. 4.12 Satz 2 bedürfen der Mehrheit von 75 % aller abgegebenen Stimmen sämtliche Beschlussgegenstände, die bei einer GmbH von Gesetzes wegen einer qualifizierten Mehrheit bedürfen (insbesondere Beschlüsse über die Änderung des Gesellschaftsvertrages und/oder der hierin vorgesehenen Beteiligungsverhältnisse). Gemäß Satz 3 dieser Ziffer gewährt jeder Eurocent (EUR 0,01) eines Festkapitalanteils an der Gesellschaft eine Stimme, wobei Stimmenthaltungen als Nein-Stimme gelten.
Gem. Ziff. 6.4 steht jedem Kommanditisten ein Auskunfts- und Einsichtsrecht in dem Umfang zu, wie es die Bestimmungen in § 51a Abs. 1 und Abs. 2 GmbHG für die Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorsehen.
Ziff. 15 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten lautet auszugsweise wie folgt:
"15.1 Jeder Gesellschafter (der "Vertragstreue Gesellschafter") kann einem Gesellschafter des Gesellschafterstammes H. oder J. (der "Vertragsbrüchige Gesellschafter") eine schriftliche Mitteilung über das Vorliegen einer Vertragsverletzung im Sinne von Ziffer 15.1 dieses Gesellschaftsvertrages ("Vertragsverletzungsmitteilung") übersenden, wenn:
(a) der Vertragsbrüchige Gesellschafter wesentliche Pflichten aus diesem Gesellschaftsvertrag, insbesondere gemäß Ziffer 17.2 und/oder Ziffer 17.3, und/oder aus dem Joint-Venture-Vertrag verletzt und eine solche Vertragsverletzung, wenn sie heilbar ist, nicht innerhalb von zwanzig (20) Bankarbeitstagen nach ausdrücklicher schriftlicher Aufforderung des Vertragstreuen Gesellschafters heilt,
...
15.2 Das Recht zur Übersendung einer Vertragsverletzungsmitteilung erlischt, wenn die Übersendung einer Vertragsverletzungsmitteilung nicht innerhalb von sechs (6) Monaten nach Vorliegen der Voraussetzungen einer solchen Mitteilung nach Ziffer 15.1 und entsprechender Kenntnis des Vertragstreuen Gesellschafters erfolgt. ...
...
15.11 Ab der Übersendung der Vertragsverletzungsmitteilung (gemäß Ziffer 15.1) bis zu seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft ist der Vertragsbrüchige Gesellschafter nicht mehr Inhaber der Rechte eines Gesellschafters an der Gesellschaft und in Bezug auf seine Gesellschaftsanteile, wobei jedoch, außer in den Fällen der Ziffern 15.1(a), 15.1(b), 15.1(e) und 15.1(f), das Recht des Vertragsbrüchigen Gesellschafters auf Auszahlung von Dividenden für diesen Zeitraum unberührt bleibt."
Im Jahr 2010 bemühte sich die E.-Gruppe zur Stärkung ihrer Eigenkapitalbasis sowie der Position der E.-Gruppe im chinesischen Markt darum, einen neuen Investor zu finden und konnte letzten Endes die Klägerin dafür gewinnen. Mit Vertrag vom 30.9.2010 erwarb diese im Wege einer Kapitalerhöhung sowie eines Anteilkaufvertrags von den damaligen Gesellschaftern insgesamt 50 % der Geschäftsanteile an der E. Systems GmbH (vormals E. Holding GmbH), der seinerzeitigen Holding-Gesellschaft der Gruppe. Die Investitionssumme belief sich auf 100 Mio. EUR.
Ende 2015 reorganisierten die Beklagte und die weiteren Kommanditisten, die Herren M. und N. H. ("H.-Gesellschafter"), die E.-Gruppe. Sie brachten insgesamt 94,8% ihrer Anteile an der E. Systems GmbH in die neu gegründete Beklagte ein, so dass fortan diese als Holding-Gesellschaft der E.-Gruppe fungierte.
Bis 2018 erwirtschaftete die E.-Gruppe Gewinne und konnte ihren Umsatz kontinuierlich steigern. Ab 2019 brach der Umsatz der E.-Gruppe ein. Grund dafür war eine signifikante Abnahme der Auftragseingänge ab 2019. Die Folgen der COVID-19-Pandemie, der Wechsel zum Elektromotor, die Lieferkettenkrise und der Ukrainekrieg verstärkten die...