Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung des Aufstockungsunterhaltsanspruchs

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Berechnung des Anspruchs auf Zahlung von Aufstockungsunterhalt gegen den Ehepartner, der die gemeinsamen Kinder betreut.

 

Normenkette

BGB § 1573 Abs. 2, § 1603

 

Verfahrensgang

AG Ravensburg (Beschluss vom 22.12.2005; Aktenzeichen 7 F 1075/05)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - FamG - Ravensburg vom 22.12.2005 aufgehoben.

Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt.

Ihr wird Rechtsanwalt ..., ..., beigeordnet.

 

Gründe

I. Die Parteien, seit 2003 geschiedene Eheleute, streiten sich um nachehelichen Unterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB. Der Antragsgegner ist vollschichtig erwerbstätig und betreut die ehelichen, 13 und 16 Jahre alten Töchter. Er verfügt über folgendes Nettoeinkommen:

Jahr 2004

bis Juli 05

Brutto

57.835,44 EUR

Abzüge:

32.897,89 EUR

Abzüge

Lohnsteuer

15.261 EUR

7.993,64 EUR

Soli

698,44 EUR

368,83 EUR

Rentenversicherung

5.638,95 EUR

3.207,53 EUR

KV/PV AN-Anteil

3.265,96 EUR

1.884,08 EUR

Arbeitslosenvers.

1.879,65 EUR

1.069,17 EUR

VWL

319,08 EUR

186,13 EUR

Gesamtnetto

30.772,36 EUR

27.063,08 EUR

18.188,51 EUR

14.709,38 EUR

Teiler

12

7

Monatsnetto

2.564,36 EUR

2.598,36 EUR

Die Antragstellerin ist seit 15.12.2003 als Bürosachbearbeiterin bei der Firma ... beschäftigt. Ihr Monatsnettoeinkommen beträgt 1.231,32 EUR bei Steuerklasse 1/Kinderfreibetrag 1. Sie wird vom Antragsgegner auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen und geht von einem Anspruch i.H.v. 280 EUR insgesamt aus. Näheres (Titulierung, Zahlungen) hierzu wird nicht vorgetragen.

Die Antragstellerin behauptet, sie sei bedürftig und fordert monatlich 567,01 EUR nachehelichen Unterhalt. Seit Dezember 2005 sei sie auf Leistungen der Bundesagentur für Arbeit angewiesen. Der Antragsgegner vertritt die Auffassung, die Antragstellerin könne ihren Bedarf durch eigene Erwerbstätigkeit decken.

II. Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO zulässige, fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss des FamG vom 22.12.2005 hat in der Sache Erfolg.

Nach der Ehescheidung hat ein Ehegatte nur dann Anspruch auf Unterhalt, wenn er nicht selbst für den Unterhalt sorgen kann, § 1569 BGB. Bei Einkommensdifferenzen allerdings steht dem Bedürftigen nach § 1573 Abs. 2 BGB Aufstockungsunterhalt in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen seinem tatsächlichen (oder dem ihm zuzurechnenden fiktiven) Einkommen und dem vollen Unterhalt, der sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen richtet, zu. Es handelt sich hier um eine Art Lebensstandardgarantie für die Zeit nach der Scheidung auf Grund nachwirkender ehelicher Mitverantwortung (BGH v. 9.6.1982 - IVb ZR 698/80, MDR 1982, 999 = FamRZ 1982, 892). Der Bedarf richtet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen, die im vorliegenden Fall geprägt waren durch das Erwerbseinkommen des Ehemannes, das Erwerbseinkommen der Ehefrau als Surrogat der bisherigen Familienarbeit (BGH v. 13.6.2001 - XII ZR 343/99, MDR 2001, 991 = BGHReport 2001, 549 m. Anm. Niepmann = FamRZ 2001, 986 [989]; v. 5.5.2004 - XII ZR 10/03, BGHReport 2004, 1220 = MDR 2004, 999 = FamRZ 2004, 1170 [1171]) und den Kindesunterhalt.

Die Antragstellerin ist dabei für die Höhe ihres Bedarfs darlegungs- und beweispflichtig. Dieser Verpflichtung ist sie bisher in eher dürftigem Umfang nachgekommen. Insbesondere kann mangels entsprechender Darlegung der von ihr erwähnte Wohnvorteil nicht berücksichtigt werden.

Dies trifft auch für den angeblich völligen Wegfall ihres Einkommens ab Dezember 2005 zu. Da die Antragstellerin seit Dezember 2003 erwerbstätig ist, steht ihr ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zu. Außerdem fehlt - worauf der Antragsgegner zu Recht hingewiesen hat - ein Vortrag zum Zeitpunkt und Grund der Kündigung und ihren Bemühungen um eine neue Arbeitsstelle. Deshalb wird in der nachfolgenden Unterhaltsberechnung das bisherige Nettoeinkommen der Antragstellerin zugrunde gelegt.

Das Einkommen der Antragstellerin vermindert sich um den Barunterhalt für die beiden Kinder, soweit sie leistungsfähig ist. Dies ist unter Berücksichtigung ihres Unterhaltsanspruches nach § 1573 Abs. 2 BGB der Fall. Die nachfolgende Unterhaltsberechnung ergibt einen Ehegattenunterhalt über dem von der Antragstellerin beantragten Betrag. Die Prozesskostenhilfe wird in Höhe des Antrages bewilligt, die Bewilligung könnte allerdings erweitert werden.

Die Schwierigkeiten des Falles liegen zum einen in den gegenläufigen Ansprüchen, der Anspruch des Antragsgegners auf Kindesunterhalt und der Anspruch der Antragstellerin auf Aufstockungsunterhalt. Schwierigkeiten bereitet dabei auch die Berücksichtigung des Kindergeldes. Der Senat geht im Prinzip von folgender Unterhaltsberechnung aus:

Bedarf der beiden Kinder Gr. 6/3. Alterst. 786 EUR

Einkommen Ehemann rund 2.598,36 EUR

ab 5 % Erwerbspauschale -129,92 EUR

bereinigtes Einkommen 2.468,44 EUR

ab Betreuungsbonus -200 EUR

insgesamt...

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