Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Rechts entscheid des BGH ist auch dann einzuholen, wenn LG und OLG in Übereinstimmung mit dem BGH vom Rechtsentscheid eines anderen OLG abweichen wollen, sofern sich die Auffassung des BGH nicht aus einem Rechtsentscheid ergibt.
2. Auch der Mitmieter, der aus der Wohnung ausgezogen ist, kann auf Räumung und Herausgabe verklagt werden.
Normenkette
ZPO § 541; BGB § 556
Verfahrensgang
AG Reutlingen (Aktenzeichen 11 C 1634/92) |
LG Tübingen (Aktenzeichen 1 S 360/92) |
Tenor
Dem Bundesgerichtshof wird folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Ist der vertragliche Herausgabe- (und Räumungs-) Anspruch gemäß § 556 I BGB nach Beendigung des mit mehreren Mietern begründeten Wohnraummietverhältnisses auch gegen denjenigen von ihnen begründet, der im Gegensatz zu den anderen den Besitz an der Wohnung endgültig aufgegeben hat?
Gründe
Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 14.10.1992 die dortige Beklagte 1 (gewerbliche Zwischenvermieterin), sowie den Beklagten 2 und jetzigen Berufungskläger und die Beklagte 3 (gemeinsame Untermieter) als Gesamtschuldner zur Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung an die Kläger (Vermieter) verurteilt. Die Beklagten 1 und 3 hatten den Räumungsanspruch anerkannt. Der Beklagte 2 war der Klage entgegengetreten. Er hatte nach Klagzustellung den Klägern mitgeteilt, daß er von der Beklagten 3 getrennt lebe und schon im April 1991 ausgezogen sei. Das Amtsgericht hat eine Verpflichtung des Beklagten nach § 556 BGB gleichwohl bejaht.
Mit seiner Berufung macht der Beklagte 2 weiterhin geltend, daß seine Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe mit seinem Auszug und der Mitteilung an die Vermieter entfallen und die Klage daher abzuweisen sei.
Das Landgericht hat mit Beschluß vom 26.04.1993 dem Oberlandesgericht die im Tenor wiedergegebene Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt. Es hält den vertraglichen Herausgabeanspruch gemäß § 556 Abs. 1 BGB gegen den Beklagten 2 für begründet und damit dessen Berufung für unbegründet, sieht sich aber an ihrer Zurückweisung durch den Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Schleswig vom 25.06.1982 (6 REMiet 1/82 = NJW 1982, 2672 = WuM 1982, 264) gehindert. Nach diesem Rechtsentscheid kann bei Beendigung eines Wohnraummietverhältnisses mit mehreren gesamtschuldnerisch verpflichteten Mietern ein Mitmieter auf Rückgabe der Wohnung nicht in Anspruch genommen werden, wenn er den Besitz an der Wohnung endgültig aufgegeben und den Vermieter davon in Kenntnis gesetzt hat.
Die Vorlage des Landgerichts ist nach § 541 ZPO zulässig.
Die Rechtsfrage, in welcher das Landgericht vom Rechtsentscheid des OLG Schleswig abweichen will, ergibt sich aus einem Mietverhältnis über Wohnraum. Es geht um die Auslegung des § 556 Abs. 1 BGB i.V.m. den §§ 275 und 283 BGB. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts und der Kläger umfaßt der Rechtsentscheid auch den vorliegenden Fall: Die Klage müßte aufgrund der vom OLG Schleswig vertretenen Meinung auch abgewiesen werden, wenn der Beklagte erst während des Rechtsstreits seinen Auszug mitteilt, falls die Kläger, wie hier, gleichwohl auf ihrem Antrag beharren. Daraus ergibt sich zugleich, daß die vorgelegte Rechtsfrage entscheidungserheblich ist.
Allerdings wird von Rechtsprechung und Literatur die Meinung vertreten, daß eine Vorlagepflicht nicht bestehe, wenn das Landgericht zwar von der Rechtsansicht eines Oberlandesgerichts abweichen, aber dabei der Rechtsmeinung des Bundesgerichtshofs folgen wolle (OLG Hamm, WuM 1984, 330 = ZMR 1984, 413 und NJW-RR 1988, 145, Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 53. Aufl., RN 3, Stein/Jonas/Grunsky, 21. Aufl., RN 13, Thomas/Putzo, 19. Aufl., RN 11, je zu § 541 ZPO). Damit müßte auch die Zulässigkeit der Vorlage entfallen.
Das Landgericht hat in seinem Vorlagebeschluß darauf hingewiesen, daß es sich mit seiner Auffassung in Übereinstimmung mit dem BGH (NJW 1976, 287 und 1987, 2367/69) sieht, bemerkt aber, daß sich dieser allerdings zu der Vorlagefrage im Wege eines Rechtsentscheids noch nicht geäußert habe.
Die Meinung des Landgerichts erweist sich als richtig.
Fraglich ist zwar die Berufung des Landgerichts auf BGHZ 65, 226 = NJW 1976, 287, weil es dort nicht um die Herausgabe, sondern um Schadensersatz ging und der BGH zwar ausführt, daß jeder der beiden Mieter (eines Pkw) die Rückgabe als gleiche unteilbare Leistung schuldete, aber auch, daß kein sachlicher Grund bestehe, die Rückgabegesamtschuld beim Mietvertrag generell als eine gemeinschaftliche Schuld zu werten.
Dagegen hat der BGH in NJW 1987, 2367, 2369 ausgeführt, daß der Anspruch nach § 556 BGB auf Einräumung des unmittelbaren Besitzes gerichtet sei und nicht voraussetze, daß der Mieter unmittelbarer oder mittelbarer Besitzer ist. Er hat dafür Bezug genommen auf BGHZ 56, 308, 310 = NJW 1971, 2065. Auch dort ist dargelegt, der Anspruch aus § 556 Abs. 1 BGB setze weder mittelbaren, noch unmittelbaren Besitz des Mieters an der Mietsache voraus. Der Mieter könne diesen schuldrechtlichen Ansp...