Leitsatz (amtlich)

Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung eines anderen Mitgliedsstaates auch bei nur einstweiliger Maßnahme hinsichtlich des Sorgerechts.

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart (Beschluss vom 03.07.2008; Aktenzeichen 20 F 835/08)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 09.02.2011; Aktenzeichen XII ZB 182/08)

BGH (Beschluss vom 10.06.2009; Aktenzeichen XII ZB 182/08)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG Stuttgart - Familiengericht - vom 3.7.2008 (20 F 835/08) in der durch Beschluss vom 17.7.2008 ergänzten Fassung wird kostenpflichtig als unbegründet zurückgewiesen.

2. Der Beschluss wird erst mit seiner Rechtskraft wirksam.

3. Der Antragsgegnerin wird für die Beschwerde gegen den Beschluss des AG Stuttgart - Familiengericht - vom 3.7.2008 in der durch Beschluss vom 17.7.2008 ergänzten Fassung die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt.

Beschwerdewert: 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Das AG hat mit Beschluss vom 3.7.2008 in einem Verfahren wegen Vollstreckbarerklärung nach Art. 28 EG-VO Nr. 2201/2003 angeordnet, dass die Entscheidung des AG Nr. 4 San Lorenzo de El Escorial/Spanien vom 8.11.2007 (Geschäftszeichen 467/07) mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist. Die zu vollstreckende Verpflichtung lautet: "Zur Ausführung dieser Verfügung muss die Mutter den minderjährigen Sohn M. seinem in Spanien ansässigen Vater zurückgeben". Zugleich hat das AG auch Ordnungsmittel angedroht.

Der Beschluss wurde der Verfahrensbevollmächtigten der Mutter am 21.7.2008 zugestellt. Mit Beschluss vom 17.7.2008 ergänzte das AG seine Entscheidung dahin, dass der Beschluss erst mit Rechtskraft wirksam wird. Diese Entscheidung wurde der Verfahrensbevollmächtigten der Mutter am 28.7.2008 zugestellt.

Mit der am 21.8.2008 eingegangenen Beschwerde begehrt die Mutter die Zurückweisung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung.

II. In Verfahren wegen Vollstreckbarerklärung nach Art. 28 EG-VO Nr. 2201/2003 ist gegen eine Entscheidung des AG gem. Art. 33 EG-VO Nr. 2201/2003 die Beschwerde zulässig. Sie ist binnen einer Frist von einem Monat einzulegen (Art. 33 Abs. 5 EG-VO Nr. 2201/2003).

Die Beschwerde ist sonach statthaft. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden.

Das Rechtsmittel ist aber unbegründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung.

Soweit mit der Beschwerde vorgebracht wird, dass die für vollstreckbar erklärte Entscheidung des spanischen Gerichts ihre Vollstreckbarkeit deshalb verloren habe, weil der Antragsteller ein Hauptsacheverfahren verspätet eingeleitet habe, steht dem die vom AG Nr. 4 San Lorenzo de El Escorial gem. Art. 39 EG-VO Nr. 2201/2003 erteilte Bescheinigung entgegen. Das Verfahren der Vollstreckbarerklärung einer in einem Mitgliedsstaat ergangenen Entscheidung zur elterlichen Verantwortung besteht lediglich in einem vereinfachten Klauselerteilungsverfahren. Eine materiell-rechtliche Prüfung der im Mitgliedsstaat ergangenen Entscheidung ist nicht eröffnet. Das Familiengericht hat von der Rechtmäßigkeit der gem. Art. 39 EG-VO Nr. 2201/2003 erteilten Bescheinigung auszugehen. Die behauptete Unrichtigkeit mag ggü. dem spanischen Gericht gerügt werden.

Auch der Einwand, dass der Entscheidung die Anerkennung gem. Art. 23 lit e) EG-VO Nr. 2201/2003 zu versagen sei, kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Es liegt keine spätere Entscheidung bezüglich der elterlichen Verantwortung für M. vor. Nur eine getroffene Entscheidung könnte ein Grund für die Nichtanerkennung der spanischen Entscheidung sein, nicht aber eine künftig zu treffende Entscheidung.

Auch weitere Versagensgründe sind nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere für den Einwand, dass eine Herausgabe das Wohl des Kindes erheblich gefährden würde. Gemäß Art. 23 lit. a) EG-VO Nr. 2201/2003 ist die Anerkennung zu versagen, wenn sie der öffentlichen Ordnung des Mitgliedsstaats, in dem sie beantragt wird, offensichtlich widerspricht, wobei das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist. Die durch keinen konkreten Sachvortrag zur materiellen Rechtsanwendung des spanischen Gerichts erhobene Behauptung der Antragsgegnerin lässt keinen ordre public-Verstoß erkennen. Auch sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass das in Spanien geführte Sorgerechtsverfahren gegen rechtsstaatliche Anforderungen verstoßen hat. So ist insbesondere das rechtliche Gehör durch Ladung der Antragsgegnerin zum Termin gewahrt worden. Der Umstand, dass sie sich im Termin anwaltlich hat vertreten lassen, beruhte auf ihrer eigenen Willensentscheidung. Eine Teilnahme hätte ihr ermöglicht, persönlich ihre Argumente vorzubringen und zugleich auf das Vorbringen des Antragstellers einzugehen.

Eine Sachprüfung des in Spanien geführten Sorgerechtsverfahrens ist jedenfalls dem deutschen Gericht im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren verwehrt.

Die Beschwerde konnte sonach keinen Erfolg haben.

III. Dieser Beschluss nach § 26 IntFamRVG wird erst mit seiner Rechtskraft wirksam (§ 2...

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