Leitsatz (amtlich)
1. Beantragt der Verurteilte nach Unterbrechung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zwecks Vollstreckung einer weiteren Strafe, die unterbrochene Strafe weiter zu vollstrecken, ist für die Entscheidung hierüber die Strafvollstreckungskammer zuständig.
2. Eine gemäß § 454b Abs. 2 StPO nach Verbüßung von zwei Dritteln unterbrochene Strafe ist keine zu vollstreckende Strafe im Sinne des § 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG. Sie steht der Zurückstellung der Vollstreckung einer anderen Strafe gemäß § 35 BtMG nicht entgegen.
Verfahrensgang
LG Tübingen (Beschluss vom 04.09.2008; Aktenzeichen 12 StVK 2437/08) |
Tenor
Beschluss
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - vom 04. September 2008 wird als unbegründet
verworfen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Gründe
I.
Das Amtsgericht verhängte gegen den Verurteilten am 23. Oktober 2007 wegen Körperverletzung in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten, die ab dem 05. März 2008 in der Justizvollzugsanstalt vollstreckt wurde. Der 2/3-Zeitpunkt berechnete sich auf den 4. Juli 2008. Am 10. Juni 2008 verurteilte ihn das Amtsgericht wegen räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr 6 Monaten. Die Staatsanwaltschaft unterbrach am 08. Juli 2008 die Vollstreckung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts gemäß § 454 b StPO rückwirkend auf den 05. Juli 2008, so dass ab diesem Tag die Freiheitsstrafe von 1 Jahr 6 Monaten vollstreckt wird.
Mit Schreiben vom 10. August 2008 beantragte der Verurteilte eine "Strafumstellung". Sein Ziel ist die vollständige Verbüßung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts, um dann eine Zurückstellung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts gem. § 35 BtMG zu erreichen.
Die Staatsanwaltschaft lehnte die Änderung der Reihenfolge der Strafvollstreckung ab. Diese sei erst möglich, wenn hinsichtlich aller zu verbüßender Strafen die Hälfte oder 2/3 vollstreckt seien, in vorliegendem Fall am 03. April 2009. Auf den "Widerspruch" des Verurteilten legte die Staatsanwaltschaft die Sache gem. § 458 Abs. 2 StPO der Strafvollstreckungskammer zur Entscheidung vor. Diese bestätigte die Entscheidung der Strafvollstreckungsbehörde.
Hiergegen hat der Verurteilte sofortige Beschwerde eingelegt.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Die Strafvollstreckungskammer war für die Entscheidung über den "Widerspruch" des Verurteilten gegen die Weigerung der Staatsanwaltschaft, die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts vollständig vorab zu vollstrecken, zuständig.
Gemäß § 454 b Abs. 2 StPO ist die Vollstreckung jeder einzelnen von mehreren Strafen nach der Hälfte oder 2/3 zu unterbrechen, um anschließend die weiteren Strafen bis zu der gleichen Grenze zu vollstrecken. Das Begehren des Verurteilten, die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts vollständig vorab zu verbüßen, betrifft den Regelungsgehalt dieser Bestimmung. Die vollständige Verbüßung einer von mehreren Strafen vorab setzt voraus, dass die Unterbrechung der Strafvollstreckung gerade unterbleibt. Die Einwendung des Verurteilten richtet sich somit gegen die von der Strafvollstreckungsbehörde aufgrund des § 454 b Abs. 2 StPO getroffene Anordnung und unterliegt daher gem. § 458 Abs. 2 StPO der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer. Der subsidiäre Rechtsbehelf nach §§ 21 StrVollstrO, 23 EGGVG ist nur dann gegeben, wenn Einwendungen des Verurteilten gegen die Vollstreckungsreihenfolge in keinem Zusammenhang mit der Unterbrechung der gesetzlich vorgesehenen Strafvollstreckung nach der Hälfte bzw. 2/3 der Strafe stehen (s. OLG Frankfurt NStZ-RR 2000, 282; OLG Hamburg StV 1993, 256f.; OLG Karlsruhe StV 2003, 287; KG, Beschluss vom 30.07.2002 - 1 AR 492/02 - 5 Ws 236/02 -, zit. nach juris).
2. In der Sache hat die Strafvollstreckungskammer zu Recht von einer Änderung der Vollstreckungsreihenfolge abgesehen. § 454 b Abs. 2 Nr. 2 StPO sieht die Unterbrechung der Strafvollstreckung nach Verbüßung von 2/3 der ersten Strafe und die anschließende Vollstreckung der nächsten Strafe zwingend vor. Auch die Möglichkeit der Zurückstellung einer Strafe gem. § 35 BtMG hat darauf keinen Einfluss (OLG München NStZ 2000, 223; OLG Schleswig SchlHA 2002, 173 [D/D]; Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 454 b Rn. 2).
III.
Allerdings sieht sich der Senat zu dem Hinweis veranlasst, dass es dem Verurteilten trotz der Unterbrechung der Vollstreckung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts unbenommen ist, die Zurückstellung der Strafvollstreckung in Bezug auf das Urteil des Amtsgerichts zu beantragen. Der noch zu verbüßende Strafrest von 1/3 aus dem Urteil des Amtsgerichts steht - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 35 BtMG - einer Zurückstellung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts nicht entgegen.
Dies ergibt sich aus folgendem:
§ 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG verpflichtet die Strafvollstreckungsbehörde zum Widerruf der Zurückstellung der Strafvollstreckung, wenn gegen den Verurteilten eine weitere Freiheitsstrafe zu v...