Leitsatz (amtlich)
Transferleistungen sind bei der Bestimmung des Gegenstandswertes in einer Ehesache nicht zu berücksichtigen.
Normenkette
FamGKG §§ 43-44
Verfahrensgang
AG Reutlingen (Beschluss vom 23.02.2011; Aktenzeichen 15 F 145/10) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten Rechtsanwältin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Reutlingen vom 23.2.2011 - 15 F 145/10 - wird zurückgewiesen
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die beteiligten Eheleute stellten im vorliegenden Verfahren beidseits Scheidungsantrag, welchen sie mit einjährigem Getrenntleben begründeten. Die Folgesache Umgangsrecht wurde mit einer Vereinbarung beendet, welche die Eltern zuvor beim Jugendamt ausgehandelt hatten. In der gerichtlichen Verbundentscheidung wurde der Mutter mit Zustimmung des Vaters das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsame Tochter übertragen und der Versorgungsausgleich bezüglich der beidseitigen gesetzlichen Rentenanwartschaften geregelt. Während des gesamten Verfahrens bezog die Antragstellerin Arbeitslosengeld II i.H.v. 699,94 EUR monatlich und zusätzlich Landeserziehungsgeld i.H.v. 205 EUR, während der Antragsgegner Arbeitslosengeld II i.H.v. 827,88 EUR bezog.
Mit Beschluss vom 23.2.2011 setzte das Familiengericht die Gegenstandswerte auf 2.000 EUR in der Ehesache, 1.000 EUR im Versorgungsausgleich und jeweils 400 EUR in der elterlichen Sorge und im Umgangsrecht fest.
Mit der Beschwerde erstrebt die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin die Erhöhung der Gegenstandwerte in der Ehesache auf 4.000 EUR und in den Folgesachen elterliche Sorge und Umgangsrecht auf jeweils 900 EUR.
II. Die von der Verfahrensbevollmächtigten im eigenen Namen erhobene, zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Familiengericht hat zu Recht die Gegenstandswerte in der Ehesache auf 2.000 EUR und in den Folgesachen elterliche Sorge und Umgangsrecht auf jeweils 400 EUR festgesetzt.
Nach § 43 Abs. 1 FamGKG ist in Ehesachen der Verfahrenswert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht unter 2.000 EUR und nicht über 1.000.000 EUR angenommen werden. Nach § 43 Abs. 2 FamGKG ist für die Einkommensverhältnisse das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Ehegatten einzusetzen.
Das Familiengericht hat dafür lediglich das Erziehungsgeld der Antragstellerin von 205 EUR monatlich berücksichtigt. Das von den Eheleuten bezogene Arbeitslosengeld II i.H.v. 1.527,82 EUR monatlich blieb außer Ansatz.
Die Berücksichtigung von Sozialleistungen bei der Bestimmung des Verfahrenswertes, hier dem Arbeitslosengeld II, wie sie mit der Beschwerde angestrebt wird, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (gegen eine Berücksichtigung etwa OLG Schleswig FamRZ 2010, 1939; 2009, 1178; ; OLG Hamburg OLGReport Hamburg 2006, 269; Handbuch des Fachanwalts Familienrecht/Keske, (8. Aufl. 2011, Kap. 17, Rz. 26; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 3 ZPO Rz. 16, Stichwort "Ehesachen"; für eine Berücksichtigung: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 10.1.2011 - 5 WF 178/10, zitiert nach juris; OLG Celle NJW 2010, 3587; ; ; OLG Oldenburg FamRZ 2009, 1177 v. 16.7.2008 - II-8 WF 76/08;; Schneider, Gebühren in Familiensachen, Rz. 1036; Hartmann Kostengesetze, § 43 FamGKG, Rz. 25).
Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an, welche verfassungsrechtlich keinen Bedenken begegnet (BVerfG FamRZ 2006, 841).
Der Bezug von Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld II (SGB II) stellt kein für die Streitwertfestsetzung in einer Ehesache relevantes Einkommen dar.
Die gebührenrechtliche Streitwertbestimmung für Ehesachen knüpft für die Bemessung an das dreifache Nettomonatseinkommen und damit an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit an. Staatliche Unterstützungsleistungen wie das Arbeitslosengeld II stellen aber kein "Nettoeinkommen" dar, schon weil mit solchen Sozialleistungen (als Mittel der Grundsicherung) nur das Existenzminimum gesichert wird und diese Leistungen auch nicht vom zuvor selbst erarbeiteten Lebensstandard abhängig sind. Der Hinweis der Gegenmeinung auf § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO, wonach zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert (so auch OLG Stuttgart FamRZ 2008, 1261 zur Bedürftigkeit im Rahmen der Prozesskostenhilfe bei ergänzendem Bezug von SGB II - Leistungen) gehören, ist nicht von entscheidender Bedeutung, weil danach bei ganz anderer Zielrichtung das konkret verfügbare flüssige Einkommen und Vermögen im Vordergrund steht. Die Streitwertbemessung soll dagegen im konkreten Fall die Festsetzung angemessener Gebühren nach sozialen Gesichtspunkten unter vorrangiger Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse ermöglichen. Sozialleistungen zur Grundsicherung, wie das Arbeitslosengeld II, sind indes nicht Ausdruck der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sondern richten sich vielmehr allein nach ...