Nachgehend

BGH (Beschluss vom 31.01.2019; Aktenzeichen III ZA 34/18)

 

Tenor

1. Der ordentliche Rechtsweg ist unzulässig. Die Sache wird an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg verwiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger hat gegen das beklagte Land Klage auf Entschädigung wegen seiner Behauptung nach überlanger Dauer eines zunächst beim Richterdienstgericht und dann beim Dienstgerichtshof anhängig gewesenen Verfahrens erhoben und daneben Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt (Bl. 2 ff.; Klarstellung, dass die Klage unbedingt erhoben sein soll mit Schreiben vom 26.02.2018, Bl. 16). Die Sache ist vom Dienstgerichtshof formlos abgegeben worden (Bl. 1). Der Vorsitzende hat mit Verfügung vom 08.02.2018 (Bl. 10) darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die Zuständigkeit des OLG bestehen und einiges dafür spreche, dass der VGH für das Verfahren zuständig sei. Dem hat die Generalstaatsanwaltschaft zugestimmt (Bl. 12 f.). Der Kläger hält den Dienstgerichthof für zuständig, weil "RDG/DGH" eine eigenständige Gerichtsbarkeit seien und i. S. v. § 201 GVG in der Sache selbst entscheide und hat "Antrag i. S. v. § 17a Abs. 2 Satz 2 GVG" gestellt (Bl. 16).

II. Gem. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG ist der ordentliche Rechtsweg für unzulässig zu erklären und die Sache an den VGH Baden-Württemberg als gem. §§ 76a Abs. 1 Satz 1, 79 Abs. 1 Landesrichter- und Staatsanwaltsgesetz (i. F.: LRiStAG) i. V. m. § 173 Satz 2 VwGO zuständiges Gericht des Verwaltungsrechtswegs zu verweisen. Dieser ist für (Entschädigungs-)Verfahren wegen überlanger Verfahrensdauer zuständig, wenn wie hier Ausgangsverfahren ein Verfahren vor den Richterdienstgerichten ist.

1. Eine ausdrückliche Regelung, welches Gericht für den in §§ 198 ff. GVG und durch Verweisungen auf diese Vorschriften geregelten Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren in Bezug auf Verfahren vor den Richterdienstgerichten zuständig ist, existiert allerdings nicht.

2. Eine Auslegung der insoweit relevanten Vorschriften nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Systematik ergibt jedoch die Zuständigkeit des VGH als zuständiges Obergericht des Verwaltungsrechtswegs (und nicht des Oberlandesgerichts nach § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG oder des Dienstgerichtshofs selbst, wie der Kläger meint).

a) Der Wortlaut des LRiStAG ergibt eine Zuständigkeit des VGH Baden-Württemberg für den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren vor den Richterdienstgerichten: §§ 76a und 79 LRiStAG ordnen für sämtliche den Richterdienstgerichten zugeordneten Verfahren (§ 63 LRiStAG) die Geltung der VwGO an und mithin auch des § 173 Satz 2 VwGO, weil die Verweisungen auf die VwGO diese Norm nicht ausnehmen, in dem wiederum die entsprechende Anwendung der §§ 198 ff. GVG mit der Maßgabe angeordnet wird, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht bzw. der Verwaltungsgerichtshof tritt.

b) Allerdings könnte gegen diese Lösung eingewandt werden, der Gesetzgeber habe in den §§ 198 ff. GVG sowie mit der Anordnung der entsprechenden Geltung dieser Bestimmungen in den Verfahrensordnungen der anderen Gerichtsbarkeiten (neben § 173 Satz 2 VwGO insbesondere § 9 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, § 202 Satz 2 SGG, § 155 Satz 2 FGO) erkennbar den Willen gezeigt, die Entscheidung zu Folgen einer unangemessenen Verfahrensdauer in der jeweiligen betroffenen Gerichtsbarkeit zu halten (BT-Drs. 17/3802 S. 16 unter 8.; Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl., § 201 Rn. 58; Prütting/Gehrlein-Neff, ZPO, 9. Aufl., § 201 GVG Rn. 1), was dafür spreche, dass der Dienstgerichtshof als "Obergericht" der Dienstgerichtsbarkeit auch für (Entschädigungs-)Verfahren nach §§ 198 ff. GVG zuständig sei (so der Kläger). Hiergegen spricht aber abgesehen von dem Umstand, dass weder das DRiG noch das LRiStAG eine § 173 VwGO (oder den anderen genannten Verweisungsformen) vergleichbare Bestimmung aufweisen, dass die Richterdienstbarkeit zwar eine eigene Dienst- und Disziplinargerichtsbarkeit für Richter darstellt (Schmidt-Ränsch, Deutsches Richtergesetz, 6. Aufl., § 61 Rn. 3), aber (anders als Arbeits-, Verwaltungs-, Finanz- oder Sozialgerichte) keine organisatorisch selbständige Gerichtsbarkeit. Weder das Dienstgericht beim Bundesgerichtshof noch die Richterdienstgerichte des Landes (§ 77 Abs. 1 DRiG; Dienstgericht und Dienstgerichtshof, § 62 Abs. 1 LRiStAG) sind selbständige Gerichte im Sinne eines organisatorisch selbständigen Gerichts, sondern Bestandteile des Bundesgerichtshofs (Dienstgericht des Bundes; Schmidt-Ränsch, a.a.O., § 61 Rn. 4) bzw. des Landgerichts Karlsruhe (Dienstgerichte) und des OLG Stuttgart (Richterdienstgerichtshof, § 62 Abs. 2 LRiStAG; Schmidt-Ränsch, a.a.O., § 77 Rn. 5). Insoweit gilt dasselbe wie für den Senat für Anwaltssachen und den Senat für Notarsachen; auch diese sind Bestandteil des Bundesgerichtshofs (Schmidt-Ränsch, a.a.O., § 61 Rn. 6). Die Dienstgerichte treten an die Stelle der Verwaltungsgerichte, die sonst zuständig wären (Schmidt-Ränsch, a.a.O., § 77 Rn. 3), bei denen der Landesgesetzgeber die Dienst...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge