Leitsatz (amtlich)
1. Eine gerichtliche Umgangsregelung, die im Ergebnis zu einer gleichmäßigen Betreuung des Kindes durch beide Eltern im Sinne eines paritätischen Wechselmodells führt, kann im Einzelfall auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 1. Februar 2017, XII ZB 601/15).
2. Bestehen unstreitig gute Bindungen der Kinder zu beiden Elternteilen und hat der umgangsberechtigte Elternteil bereits bisher einen wesentlichen Teil der Betreuungsleistung übernommen (vorliegend: rund 40%), so kann die Kindeswohldienlichkeit des Wechselmodells auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens beurteilt werden.
Normenkette
BGB §§ 1684, 1697a
Verfahrensgang
AG Calw (Entscheidung vom 19.05.2017; Aktenzeichen 7 F 274/16) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Calw vom 19.05.2017 (Az.: 7 F 274/16) in Ziff. 1 des Tenors dahingehend abgeändert, dass der Umgang des Vaters wie folgt geregelt wird:
Der Vater ist berechtigt und verpflichtet, mit den Kindern L. und L. S., beide geboren am ..., außerhalb der Schulferien in vierzehntägigem Rhythmus in der Zeit von Freitag nach Schulschluss bis zum Schulbeginn am Freitag der Folgewoche Umgang zu haben, beginnend am Freitag, 15.09.2017, nach Schulschluss, bis zum Schulbeginn am Freitag, 22.09.2017.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,- Euro festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Mutter) wendet sich mit ihrer Beschwerde vom 21.07.2017 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Calw vom 19.05.2017 (Az.: 7 F 274/16), durch den gegen ihren Willen der Umgang der Kinder L. und L. S. mit dem Vater in Form eines paritätischen Wechselmodells angeordnet wurde.
Die Beteiligten sind die Eltern der Zwillinge L., geboren am ..., und L., geboren am ... . Die Eltern waren nie miteinander verheiratet. Sie üben die elterliche Sorge gemeinsam aus. Die Mutter ist in Teilzeit mit einem Umfang von 75 % als Erzieherin tätig, der Vater betreibt die Firma S. Bedachungen als Einzelfirma. Beide Elternteile haben wieder neue Partner, mit denen sie aber nicht zusammenleben.
Seit Ende des Jahres 2013 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 23.08.2017 praktizierten die Eltern außerhalb der Schulferien einen erweiterten Umgang in der Form, dass die Mädchen alle zwei Wochen von Freitag nach der Schule um 12.00 Uhr bis zum darauffolgenden Mittwochmorgen beim Vater waren. Sie gingen dann vom Vater aus in die Schule. Zudem verbrachten sie jeden Dienstagnachmittag ab dem Ende der Kernzeitbetreuung um 16.00 Uhr bis ca. 19.30 Uhr beim Vater. Dies hatte den Hintergrund, dass die Mutter am Dienstagnachmittag von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr im Büro tätig ist und anschließend bis ca. 18.30 Uhr eine Dienstbesprechung hat.
Diese bisherige Umgangspraxis beruht nicht auf einer gerichtlichen Umgangsregelung oder einer Umgangsregelung durch einen gerichtlich gebilligten Vergleich, sondern ausschließlich auf einer außergerichtlichen Absprache der Eltern.
Den Ferienumgang haben die Eltern ebenfalls einverständlich geregelt. Er ist nicht im Streit.
Beide Mädchen werden nach den Schulferien die dritte Grundschulklasse besuchen. Die Schule ist vom Haushalt der Mutter aus zu Fuß, vom Haushalt des Vaters aus mit dem Bus gut zu erreichen.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den angefochtenen Beschluss vom 19.05.2017 Bezug genommen. In diesem Beschluss regelte das Familiengericht Calw das Umgangsrecht des Vaters mit den gemeinsamen Kindern in Form eines paritätischen Wechselmodells mit einem wöchentlichen Wechsel sonntags um 12.00 Uhr.
Zur Begründung führte das Familiengericht im Wesentlichen aus, dass im vorliegenden Fall die hälftig geteilte Betreuung durch die Eltern dem Kindeswohl am besten entspreche.
Die Kinder hätten ein inniges und unbelastetes Verhältnis zu beiden Elternteilen. Sie würden sich in beiden Haushalten wohl fühlen und kämen mit dem Wechsel von einem Haushalt in den anderen gut klar. Beide Haushalte seien kindgerecht gestaltet, beide Eltern seien nach Einschätzung des Gerichts erziehungsfähig. Es gebe im vorliegenden Fall auch keine so weit voneinander entfernten Unterschiede im Erziehungsstil, dass dies einem paritätischen Aufteilen der Aufenthaltszeiten der Kinder bei beiden Eltern entgegenstehen würde. Das Erleben unterschiedlicher Auffassungen zu Themen fördere bei Kindern die Toleranz und die Akzeptanz anderer Meinungen und führe zu einer Erweiterung des Horizonts. Die Eltern seien in der Lage, sich über grundlegende Angelegenheiten der Kinder auszutauschen und auch eine Lösung zu finden.
Gegen diesen, dem Verfahrensbevollmächtigten der Mutter am 29.05.2017 zugestellten Beschluss, wendet sie sich mit ihrer am 21.06.2017 eing...