Leitsatz (amtlich)

1. Die gegen einen familiengerichtlichen Beschluss wegen Kindesunterhalts eingelegte Beschwerde ist unzulässig, wenn die Beschwerdebegründung nicht bei der gem. § 130a Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ZPO vorgesehenen elektronischen Poststelle des Gerichts, sondern beim unzuständigen Empfänger eingeht, hier: dem besonderen elektronischen Behördenpostfach (beBPo) der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts.

2. Das Risiko des rechtzeitigen Zugangs des elektronischen Dokuments in der technisch vorgeschriebenen Form trägt grundsätzlich der Absender, der die automatisierte Eingangsbestätigung auch daraufhin zu überprüfen hat, ob eine falsche Auswahl des Empfangsgerichts vorliegt. Die erforderliche Kontrollpflicht umfasst auch die Überprüfung der nach § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO übermittelten automatisierten Bestätigung, ob die Rechtsmittelschrift an das richtige Gericht übermittelt worden ist.

 

Normenkette

FamFG §§ 113, 117; ZPO § 130a

 

Verfahrensgang

AG Ulm (Beschluss vom 25.01.2024; Aktenzeichen 4 F 320/23)

 

Tenor

1. Der Antragsgegner wird darauf hingewiesen, dass seine Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ulm vom 25.01.2024, Az. 4 F 320/23, unzulässig ist.

2. Es wird angeregt, die Beschwerde aus Kostengründen bis zum 06.05.2024 zurückzunehmen.

 

Gründe

I. Die Antragsteller sind die Kinder des Antragsgegners und verfolgten in dem erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren die Abänderung von vollstreckbaren Jugendamtsurkunden, in denen sich der Antragsgegner verpflichtet hatte, den Antragstellern jeweils 160 % des Mindestunterhalts nach § 1612a BGB zu bezahlen. Mit Beschluss vom 25.01.2024 änderte das Amtsgericht - Familiengericht - Ulm die Urkunden antragsgemäß ab und verpflichtete den Antragsgegner, an die Antragsteller jeweils 200 % des jeweiligen Mindestunterhalts nach § 1612a BGB der jeweiligen Altersstufe zu bezahlen. Dieser Beschluss wurde dem Antragsgegner ausweislich des Empfangsbekenntnisses seines Verfahrensbevollmächtigten am 29.01.2024 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 19.02.2024 wurde seitens des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ulm - Familiengericht - vom 25.01.2024 Beschwerde eingelegt. Dieser Schriftsatz enthielt eine einfache elektronische Signatur (Vor- und Nachname des Rechtsanwalts und die Bezeichnung Rechtsanwalt) und wurde von dem persönlichen besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) des Rechtsanwalts aus übersandt.

Die Beschwerdebegründung des Antragsgegners zum Az. 11 UF 37/24 vom 02.04.2024 ging bei der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts - besonderes elektronisches Behördenpostfach (beBPo) der Verwaltungsabteilung - am 02.04.2024 um 21:43:03 Uhr ein. Die Verwaltungsabteilung übersandte die Beschwerdebegründung vom 02.04.2024 per Email an die Geschäftsstelle des 11. Senats - und damit die organisatorisch getrennte Gerichtsabteilung - am 03.04.2024 um 15:09 Uhr mit dem Betreff "Eingang in der eVerwAkte." Die weitergeleitete Beschwerdebegründung enthält eine einfache elektronische Signatur (Vor- und Nachname des Rechtsanwalts und die Bezeichnung Rechtsanwalt) und gelangte als reines pdf-Dokument - von der Verwaltungsabteilung an die Gerichtsabteilung per Email - zur Gerichtsakte. Als Eingangsdatum ist unter Eigenschaften in der eAkte zu der Beschwerdebegründung einsehbar der 03.04.2024 um 15:09 Uhr, als Veraktungsdatum der 04.04.2024 um 11:24 Uhr, als Absender die Beschäftigte der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts, die die Weiterleitung per Email durchführte. Aus diesem Grund ist auch nicht nachvollziehbar, ob der Schriftsatz aus dem persönlichen beA-Postfach des Rechtsanwalts versendet wurde oder von der Kanzlei, also dem im Schriftsatz auf der ersten Seite angegebenen Sekretariat. In letzterem Fall hätte er dem Erfordernis der qualifiziert elektronischen Signatur unterlegen.

Auf der Homepage des Oberlandesgerichts Stuttgart gibt es unter Startseite - Kontakt folgenden wichtigen Hinweis veröffentlicht:

Klagen, Anträge, Rechtsmittel und sonstige Prozesserklärungen können schriftlich, per Telefax, zur Niederschrift vor der Urkundsbeamtin/des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder seit 1. Januar 2018 auch als elektronisches Dokument eingereicht werden. Eine Einreichung per E-Mail ist nicht zulässig. Die einzelnen Schritte zur elektronischen Einreichung sowie alle notwendigen Informationen hierfür finden Sie auf www.ejustice-bw.de.

Auf der Homepage https://ejustice-bw.justiz-bw.de/pb/,Lde/9761608 ist unter Startseite - Berufsträger Folgendes abzurufen:

Warum haben Gerichte und Staatsanwaltschaften auch ein beBPo?

Die ab dem 1. Januar 2022 geltende aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs gilt auch für die Justizbehörden selbst, soweit sie nicht in ihrer Funktion als Organ der Rechtspflege, sondern in der Funktion als Verwaltungsbehörde tätig werden. Allen Gerichten und Staatsanwaltschaften der baden-württembergischen Justiz wurde ein besonderes elektronisches Behördenpostfach (beBPo) eingerichtet, das zur Teilnahme die...

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