Leitsatz (amtlich)
1. Die in einen Scheidungsvergleich aufgenommene Verpflichtung, ein Testament nicht zu ändern, kann in einen Erbvertrag umgedeutet werden.
2. Die neben der Genehmigung des Prozeßbevollmächtigten erforderliche Billigung des Vergleichs durch den Erblasser muß im Einzelfall festgestellt werden, sie läßt sich nicht allgemein aus der Lebenserfahrung ableiten.
Normenkette
BGB §§ 2302, 140, 2274
Verfahrensgang
LG Tübingen (Beschluss vom 17.08.1988; Aktenzeichen 5 T 130/88) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluß des Landgerichts Tübingen vom 17.08.1988
aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Entscheidung an das Landgericht Tübingen
zurückverwiesen.
Gründe
Die Beteiligten zu 2) und 3) sind Kinder des Erblassers aus erster Ehe. Dieser hat 1976 die Beteiligte zu 1) geheiratet und in einem notariellen Testament vom 23.08.1977 zur Alleinerbin eingesetzt. Die Ehe mit der Beteiligten zu 1) wurde 1984 geschieden. In dem beim Familiengericht für den Fall der Scheidung geschlossenen Vergleich vom 13.09.1984 ist u. a. bestimmt:
„Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin in einem im Jahr 1976 … straße errichteten Testament zur Alleinerbin eingesetzt. Er verpflichtet sich, diese Erbeinsetzung zum Nachteil der Antragsgegnerin nicht zu ändern, auch nach Scheidung der Ehe nicht”.
Das Nachlaßgericht hat mit Beschluß vom 03.06.1988 den Beteiligen zu 2) und 3) als gesetzlichen Erben je zur Hälfte des Nachlasses einen Erbschein erteilt. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das Landgericht mit Beschluß vom 17.08.1988 die Entscheidung des Nachlaßgerichts aufgehoben und dieses angewiesen, den Erbschein einzuziehen und über den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung zu entscheiden.
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) gegen den Beschluß des Landgerichts ist zulässig und begründet (§§ 27, 29 FGG, 550 ff ZPO).
1. Das Landgericht ist davon ausgegangen, daß die Erbeinsetzung im Testament vom 23.08.1977 nach § 2077 Abs. 1 BGB unwirksam sei. Es hat jedoch die im Scheidungsvergleich vom 13.09.1984 eingegangene, nach § 2302 BGB nichtige Verpflichtung des Erblassers, jenes Testament nicht zu ändern, nach § 140 BGB in eine erbvertragliche Alleinerbeinsetzung der Beteiligten zu 1) umgedeutet.
Dabei hat es zutreffend angenommen, daß eine derartige Umdeutung grundsätzlich möglich ist (BGH MDR, 1961, 128). Es bestehen auch keine rechtlichen Bedenken, soweit das Landgericht in Zi. 2 a) und b) seiner Begründung die subjektiven und objektiven Voraussetzungen dieser Umdeutung im vorliegenden Fall bejaht. Bei den insoweit mit der weiteren Beschwerde erhobenen Einwänden handelt es sich nicht um die Darlegung von Rechtsfehlern, sondern nur um unzulässige Beanstandungen der dem Landgericht vorbehaltenen Tatsachenwürdigung.
Unter Zi. 2 c) seiner Gründe hat das Landgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt, daß die für den Erbvertrag vorgeschriebene notarielle Beurkundung durch die Aufnahme der Erklärung in einen gerichtlichen Vergleich ersetzt wird, §§ 2276, 127 a BGB.
Dagegen bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken gegen die Auffassung des Landgerichts, daß auch die Voraussetzung des § 2274 BGB – persönlicher Abschluß des Erbvertrages durch den Erblasser – erfüllt sei. Nicht zu beanstanden ist dabei sein Ausgangspunkt: Es entspricht allgemeiner Meinung, daß beim Abschluß eines Erbvertrages (oder Erbverzichtsvertrages, § 2347 BGB) im gerichtlichen Vergleich in einem dem Anwaltszwang unterliegenden Verfahren der Prozeßbevollmächtigte und der Erblasser die erforderlichen Erklärungen gemeinsam abgeben müssen (BayObLGZ 1965, 86 = NJW 1965, 1276, sowie in der Literatur unter anderem Erman, 7. Aufl., vor § 2274 BGB, RN 7, Münchener Kommentar, 1. Aufl., § 2276 BGB, RN 10, RGRK, 12. Aufl., § 2347 BGB, RN 3; Staudinger, 12. Aufl., § 2276 BGB, RN 4, wohl auch Soergel, 11. Aufl., § 2347, RN 9, der zwar nur verlangt, daß der Erblasser persönlich beim Vergleichsabschluß anwesend ist, aber auf BayObLGZ 1965, 86 Bezug nimmt, sowie Stein/Jonas, 20. Aufl., § 794 ZPO, RN 28). Der Senat teilt auch die Auffassung, daß das Protokoll keine ausdrückliche Feststellung darüber enthalten muß, daß die Partei neben ihrem Anwalt die fraglichen Erklärungen abgegeben hat (a. A. Erman und Münchener Kommentar aaO). Die Formel „vorgelesen und genehmigt” kann die Genehmigung der Partei mitumfassen. Wer sich auf die Gültigkeit des Erbvertrages beruft, muß zwar nachweisen, daß sie in diesem Sinne zu verstehen und damit dem § 2274 BGB genügt ist. Daß dieser Nachweis aber nur durch das Protokoll geführt werden könnte, läßt sich dem Gesetz nicht entnehmen.
Doch kann dem Landgericht nicht gefolgt werden, soweit es annimmt, in einem Fall wie dem vorliegenden spreche die Lebenserfahrung dafür, daß die anwesenden Parteien neben ihren Prozeßbevollmächtigten beim Abschluß des Vergleichs mitwirkten. Ob das Gericht im Anwaltsprozeß die Parteien in Vergleichsverhandlungen miteinbezieht und auch ih...