Leitsatz (amtlich)

Die sofortige Beschwerde gegen die Berichtigung eines protokollierten Prozessvergleichs ist nicht statthaft.

 

Normenkette

ZPO §§ 164, 567 Abs. 1, § 572 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Ulm (Beschluss vom 21.08.2003; Aktenzeichen 2 O 255/03)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 14.07.2004; Aktenzeichen XII ZB 268/03)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Ulm vom 21.8.2003 wird als unzulässig verworfen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten der Beschwerde.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 3.000 Euro

 

Gründe

Mit der angefochtenen Entscheidung hatte das LG das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.7.2003 dahin berichtigt, dass das im protokollierten Vergleich enthaltene Zahlungsdatum 31.8.2003 statt 31.8.2004 lauten müsse. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beklagten ist nicht statthaft (§ 572 Abs. 2 ZPO).

Gemäß § 567 Abs. 1 ZPO findet die sofortige Beschwerde statt, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder es sich um eine Entscheidung handelt, durch die ein Gesuch zurückgewiesen worden ist. Keine der Alternativen ist hier gegeben. § 164 ZPO, der die Protokollberichtigung regelt, sieht eine Beschwerdemöglichkeit nicht vor. Ebenso wenig richtet sich die sofortige Beschwerde gegen eine ablehnende Entscheidung. Das LG hat (von Amts wegen) abgeändert, ein Tätigwerden also gerade nicht abgelehnt.

Auch ein außerordentlicher Rechtsbehelf ist nicht gegeben. Zu Unrecht beruft sich der Beklagte auf die Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 164 Abs. 2 ZPO, Art. 103 Abs. 1 GG). Sein Vortrag, die Verfügung des LG vom 6.8.2003, mit welcher den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Berichtigung bis 20.8.2003 gegeben worden war, habe ihn erst am 18.8.2003 erreicht, ist zwar nicht zu widerlegen. Doch ergibt sich daraus keine Rechtsverletzung, zumal der Beklagte anwaltlich vertreten war. Wenn eine Stellungnahme innerhalb der verbleibenden Frist nicht abgegeben werden konnte, bestand die Möglichkeit und auch Verpflichtung des Prozessbevollmächtigten, das Gericht auf die lange Postlaufzeit hinzuweisen und Fristverlängerung zu beantragen.

Auch ein Beschwerderecht entspr. § 319 Abs. 3 ZPO ist nicht gegeben. Die Vorschrift ist nicht analog anwendbar. Das OLG Hamm (OLG Hamm v. 12.11.1982 – 26 W 19/82, MDR 1983, 410) hatte das zugelassen im Falle einer unzulässigen Berichtigung. Ein solcher Fall dürfte auch hier gegeben sein. Aus dem Gesamtzusammenhang des Vergleichs ergibt sich zwar, dass nur das Datum 31.8.2003 Sinn macht. Doch steht zu vermuten, dass der Vergleich mit dem Datum 31.8.2004 protokolliert wurde. Dieses Datum ergibt sich aus der handschriftlichen Vergleichsaufzeichnung der Vorsitzenden, die sie unterschrieben und mit dem Vermerk „v.u.g.” versehen hat. Auf der Protokollabschrift hat die (am Berichtigungsverfahren nicht beteiligte) Urkundsbeamtin die Richtigkeit der Übertragung und damit des von ihr geschriebenen Datums 31.8.2004 bestätigt. Im Protokoll befindet sich a.E. des Vergleichs außerdem der Vermerk „Vorgespielt und genehmigt”. Allerdings kann die Zulässigkeit eines Rechtsmittels nicht von einer inhaltlichen Bewertung abhängen. Das ist eine Frage der Begründetheit.

Im Gesetz ist ein Rechtsmittel gegen eine Protokollberichtigungsentscheidung nicht vorgesehen. Von einer ausfüllungsbedürftigen Gesetzeslücke im Hinblick auf protokollierte Vergleiche ist dabei nicht auszugehen. Der Vergleich ist in den Protokollvorschriften ausdrücklich erwähnt und bedacht (§§ 160 Abs. 3 Nr. 1, 162 Abs. 1 S. 1 ZPO). Gleichwohl hat der Gesetzgeber eine Rechtsmittelregelung bei Meinungsverschiedenheiten über den Vergleichsinhalt nicht vorgesehen. Im Berichtigungsverfahren sollen alleine die für den Protokollinhalt verantwortlichen Gerichtspersonen, die eigene Wahrnehmungen gemacht haben, entscheiden. Darüber hinaus ist ggf. Klärung in einem weiteren Rechtsstreit herbeizuführen. Gegen die Zulassung der Analogie spricht weiter, dass Streitsituationen wie die vorliegende nicht nur im Falle eines Vergleichs entstehen können und bedeutsam sind, sondern ebenso bei Anerkenntnis, Verzicht, Rechtsmittelverzicht und anderen prozessualen Handlungen und Erklärungen. Gleichwohl sieht das Gesetz eine Beschwerdemöglichkeit nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert war dem geschätzten Interesse des Beschwerdeführers entspr. festzusetzen (§ 3 ZPO).

Die Rechtsbeschwerde war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache und weil eine Entscheidung des BGH zur Zulässigkeit einer sofortigen Beschwerde gegen einen Protokollberichtigungsbeschluss bisher nicht vorliegt, zuzulassen (§ 574 Abs. 2 ZPO).

Dr. Eberle Wetzel Andelfinger

VorsRiOLG RiOLG RiOLG

 

Fundstellen

Haufe-Index 1110032

MDR 2004, 410

Die Justiz 2004, 491

Mitt. 2004, 137

OLGR-KS 2003, 519

www.judicialis.de 2003

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge