Leitsatz (amtlich)
1. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freiwilligen Wohnungsüberlassung gemäß § 1361b Abs. 4 BGB im Streit und begehrt der ausgezogene Ehegatte den Wiedereinzug in die Ehewohnung, kann der in der Wohnung verbliebene Ehegatte im Wege eines Feststellungsantrags gerichtlich klären lassen, dass ein Überlassungsverhältnis, d.h. ein Rechtsverhältnis gemäß § 1361b Abs. 4 BGB vorliegt.
2. Ein solcher, in einem Verfahren der einstweiligen Anordnung getroffener Feststellungsbeschluss ist unanfechtbar, da es sich hierbei um keine "Zuweisung der Ehewohnung" gemäß § 1361b Abs. 1 BGB handelt und somit kein Fall des § 57 S. 2 Nr. 5 FamFG vorliegt.
Normenkette
BGB § 1361b Abs. 1; FamFG § 57 S. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
AG Böblingen (Beschluss vom 29.05.2019; Aktenzeichen 51 F 552/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Böblingen vom 29.05.2019, Az. 51 F 552/19, wird als unzulässig
verworfen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. 1. Die Beteiligten führen ein Verfahren der einstweiligen Anordnung über die Nutzung der Ehewohnung.
Die Beteiligten sind hälftige Miteigentümer der Ehewohnung in H..., die aus einer Hauptwohnung und einer Einliegerwohnung besteht.
Die Beteiligten leben seit 2014 getrennt. Bis Pfingsten 2017 nutzte die Antragstellerin die Hauptwohnung, der Antragsgegner die Einliegerwohnung. An Pfingsten 2017 mietete der Antragsgegner eine 50 m2 große 2-Zimmer Einliegerwohnung in einem Einfamilienhaus in G... an, in die er eingezogen ist. In der Einliegerwohnung in H... hat er alte Möbel, Bücher, Handwerkszeug usw. zurückgelassen; die Schlüssel zur Einliegerwohnung hat der Antragsgegner mitgenommen.
Mit Schreiben vom 27.03.2019 teilte der Antragsgegner mit, dass sich veränderte Verhältnisse insoweit ergeben hätten, als er nunmehr die Einliegerwohnung in H... ab 01.05.2019 "wieder selbst beziehen" müsse, da sein Vermieter eventuell Eigenbedarf anmelden werde.
Die Antragstellerin geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 1361 b Abs. 4 BGB vorliegen. Der Antragsgegner habe die Ehewohnung vor über sechs Monaten verlassen und habe bis zum 27.03.2019 zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, dass er in die Ehewohnung zurückkehren wolle. Damit werde unwiderleglich vermutet, dass er der in der Ehewohnung verbliebenen Antragstellerin das alleinige Nutzungsrecht überlassen habe.
Die Antragstellerin hat beantragt:
Das alleinige Nutzungsrecht an der Ehewohnung in H..., ..., einschließlich Einliegerwohnung, steht der Antragstellerin zu.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
Er geht davon aus, dass er die Ehewohnung nie geräumt und damit auch nie verlassen habe. Im Übrigen lägen veränderte Verhältnisse vor, weshalb sich die Antragstellerin auf § 1361 b Abs. 4 BGB nicht mehr berufen könne. Sein Vermieter habe bereits eine Eigenbedarfskündigung angekündigt.
Das Amtsgericht Böblingen hat - nach mündlicher Verhandlung - mit Beschluss vom 29.05.2019 im Wege der einstweiligen Anordnung wie folgt entschieden:
Es wird festgestellt, dass die Nutzung der gesamten Ehewohnung einschließlich Hauptwohnung und Einliegerwohnung im Reihenhaus ... in ... H... der Antragstellerin allein zusteht.
Das Amtsgericht geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 1361 b Abs. 4 BGB vorliegen, weshalb unwiderleglich vermutet werde, dass der Antragsgegner der Antragstellerin das alleinige Nutzungsrecht an dem gemeinsamen Haus überlassen habe Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse liege nicht vor. Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs sei bisher nicht erfolgt, zudem habe der Antragsgegner eine dreimonatige Kündigungsfrist. Das Amtsgericht hat in seiner Rechtsbehelfsbelehrung darauf hingewiesen, dass der Beschluss nicht anfechtbar sei, da in der vorliegenden Konstellation § 57 Abs. 2 Nr. 5 FamFG nicht zur Anwendung komme.
2. Gegen den ihm am 05.06.2019 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner mit am 14.06.2019 beim Amtsgericht Böblingen eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt.
Er beantragt,
den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben.
Er geht davon aus, dass seine Beschwerde statthaft sei, weil durch den Beschluss des Amtsgerichts, wenn auch feststellend, der Antragstellerin die im Dachgeschoss des Gebäudes belegene Einliegerwohnung, die er bis heute alleine nutze, zugewiesen worden sei.
II. 1. Die Beschwerde des Antragsgegners ist nicht statthaft.
Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen sind grundsätzlich nicht anfechtbar (§ 57 S. 1 FamFG). Dies gilt nicht, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs auf Grund mündlicher Erörterung in einer Ehewohnungssache über einen Antrag auf Zuweisung der Wohnung entschieden hat (§ 57 S. 2 Nr. 5 FamFG).
2. Eine solche - anfechtbare - Entscheidung hat das Amtsgericht hier nicht getroffen.
a) Ein Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung kann gemäß 1361b Abs. 1 BGB gestell...