Leitsatz (amtlich)

Im Bußgeldverfahren ist die Hinzuziehung privater Dienstleister auch im Rahmen der Verkehrsüberwachung und der Auswertung der dabei gewonnenen Daten zulässig, solange die Verwaltungsbehörde Herrin des Verfahrens bleibt. Ihr muss die Entscheidung verbleiben, wann, wo und wie die Verkehrsüberwachung durchgeführt wird, und sie muss gewährleisten, dass das Messverfahren und die Auswertung der dadurch gewonnenen Daten den rechtlichen Vorgaben entspricht.

 

Normenkette

StVG § 26; OWiG § 47; StVO § 3

 

Verfahrensgang

AG Waiblingen (Entscheidung vom 15.04.2016; Aktenzeichen 5 OWi 64 Js 114208/15)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Waiblingen vom 15. April 2016 wird als unbegründet

verworfen.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Waiblingen setzte gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft eine Geldbuße von 80 € fest. Hiergegen hat der Betroffene Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Insbesondere beanstandet er, dass das Amtsgericht die Verurteilung auf eine Geschwindigkeitsmessung stützt, die nicht von einem Mitarbeiter der Ordnungsbehörde ausgewertet worden sei, sondern durch ein privates Unternehmen, und macht darauf gestützt ein Verwertungsverbot geltend. Der Einzelrichter hat die Rechtsbeschwerde mit Beschluss vom 22. August 2016 zugelassen und die Sache auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, da es geboten ist, das Urteil zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen (§ 80a Abs. 3 Satz 2 OWiG).

II.

Die Rechtsbeschwerde ist in der Sache unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Begründung der Rechtsbeschwerde keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO).

1. Die Sachrüge bleibt aus den zutreffenden Gründen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 1. August 2016 erfolglos. Die Sachrüge ermöglicht die Überprüfung des Urteils auch, soweit sich das Amtsgericht in den Urteilsgründen mit der Frage des von ihm abgelehnten Beweisverwertungsverbots befasst hat (UA S. 4 Abs. 5).

a) Nach diesen Feststellungen fuhr der Betroffene mit einem Pkw außerhalb geschlossener Ortschaften unter Berücksichtigung des gebotenen Toleranzabzugs mit einer Geschwindigkeit von 129 km/h, was aufgrund einer Messung mit einem stationären Gerät des Typs PoliscanSpeed festgestellt wurde. An der Auswertung des Messdaten war ein von der Bußgeldbehörde beauftragtes privates Unternehmen beteiligt. Seine Aufgabe bestand darin, im Rahmen der Auswertung der Messung die Position des sogenannten Auswerterahmens zu prüfen, um Messungen, bei denen eine Verwertbarkeit von vornherein ausscheidet, auszusortieren.

b) Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Amtsgericht die Annahme eines Beweisverwertungsverbots zu Recht abgelehnt.

Die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 47 Abs. 1 OWiG gehört als typische Hoheitsaufgabe zum Kernbereich staatlicher Hoheitsausübung, für die im Fall von Verkehrsordnungswidrigkeiten gemäß § 26 Abs. 1 StVG Behörden oder Polizeidienststellen zuständig sind. Zu Recht weist die Generalstaatsanwaltschaft darauf hin, dass eine eigenverantwortliche Wahrnehmung dieser Aufgaben durch Privatpersonen deshalb ausscheidet. Das schließt allerdings, wie die Generalstaatsanwaltschaft ebenfalls zutreffend ausführt, nicht aus, dass die Verwaltungsbehörde sich technischer Hilfe durch Privatpersonen bedient, solange sie Herrin des Verfahrens bleibt. Zum Kern der der Verwaltungsbehörde zugewiesenen Aufgabe bei der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten gehört neben der Entscheidung, wann, wo und wie die Verkehrsüberwachung erfolgt, auch die Gewährleistung, dass das Messverfahren und die Auswertung der dadurch gewonnenen Daten den rechtlichen Vorgaben entsprechen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. März 2016 - 2 Ss-OWi 1059/15, juris).

Bei der Auswertung der im Rahmen einer Messung mit dem stationären Gerät PoliScan Speed gewonnenen Messfotos ist die sog. digitale Auswerteschablone entscheidend, die - nachträglich - auf das Messfoto gelegt wird. Eine Verwertung des Messfotos ist nur zulässig, wenn nicht weitere Fahrzeuge auf anderen Fahrstreifen so auf dem Messfoto ersichtlich sind, dass sie ebenfalls teilweise innerhalb des digitalen Auswerterahmens zu sehen sind, wenn die Vorderreifen des gemessenen Fahrzeugs sich erkennbar oberhalb des unteren Rahmenteils befinden und wenn das amtliche Kennzeichen auf dem Messfoto innerhalb des Auswerterahmens zu sehen ist. Danach sind bereits nach der Bedienungsanleitung des Geräts Messfotos als Beweismittel nicht geeignet, wenn sich die Unterseite des Auswerterahmens nicht unterhalb der Räder des gemessenen Fahrzeugs befindet, Fahrzeugteile anderer Verkehrsteilnehmer, die in gleicher Richtung auf derselb...

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