Normenkette
StPO § 244 Abs. 2, 3 Sätze 1, 3 Nr. 4, § 344 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
AG Sigmaringen (Aktenzeichen 3 Cs 11 Js 6827/20) |
LG Hechingen (Entscheidung vom 08.08.2022; Aktenzeichen 11 Ns 11 Js 6827/20) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 8. August 2022 wird als unbegründet
verworfen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels (§ 473 Abs. 1 StPO).
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils wegen Volksverhetzung in zwei Fällen, Verbreitung pornographischer Schriften in zwei Fällen sowie wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu der Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 5 EUR verurteilt und im Übrigen freigesprochen.
Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf eine Verfahrensrüge und die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1.) Die Verfahrensrüge ist nicht zulässig erhoben, da sie den Vortragserfordernissen im Sinne von § 344 Abs. 2 StPO Satz 2 nicht genügt.
a.) Die Verteidigung hat in der Hauptverhandlung in Bezug auf die Abbildungen, die den Taten 4 und 5 des Urteils zugrunde liegen, beantragt, "zum Beweis der Tatsache, dass bei durchschnittlichen Betrachtern (...) andere als sexuelle Empfindungen entstehen" sowie "zu der Tatsache, dass der durchschnittliche Betrachter bei den Bildern (...) den weiblichen Anus erst auf den zweiten Blick wahrnimmt" ein Sachverständigengutachten einzuholen. In der Begründung des Antrags wird weiter ausgeführt, dass die Bilder "unsittlich, anstößig oder Ekelerregend für die einen, lustig für die anderen sein mögen" und dass in erster Linie zunächst das in der Abbildung zu sehende Wort bzw. Emoji wahrgenommen werde, die jeweils in die Abbildung hineinmontiert seien, sodass der Anus als Teil des Wortes oder des Emojis erscheine.
Das Landgericht hat diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass mit dem Beweisantrag Rechtsanwendung begehrt werde. Der Begriff der Pornographie sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Klassifizierung dem Tatrichter überlassen bleibe. Das angebotene Beweismittel sei daher ungeeignet im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 StPO.
b.) Das Landgericht hat hierdurch nicht gegen § 244 Abs. 3 Satz 3 StPO verstoßen. Denn es liegt bereits kein Beweisantrag im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO vor. Danach hat der Antragsteller eine bestimmte Tatsache konkret zu behaupten und ein bestimmtes Beweismittel zu bezeichnen, wobei dem Antrag zu entnehmen sein muss, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Beweistatsache belegen können soll. Hier fehlt es teilweise schon an der konkreten Bezeichnung eines bestimmten Beweismittels (aa.). Im Übrigen ist die Konnexität zwischen der behaupteten Tatsache und dem Beweismittel nicht dargetan (bb.).
aa.) Der Wortlaut des § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO, wonach ein Beweisantrag voraussetzt, dass der Antragsteller eine bestimmte Tatsache konkret behaupten muss, belegt, dass der Gesetzgeber der präzisen Formulierung der Beweistatsache besonders hohes Gewicht beimisst. Die Tatsache muss generell geeignet sein, in ihrem im Beweisantrag enthaltenen Wortlaut zur Urteilsgrundlage zu werden, also als Teil der Feststellungen in den Urteilssachverhalt einzugehen oder zumindest als Indiztatsache Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung zu werden (Hamm/Pauly, Beweisantragsrecht, 3. Aufl. (2019), Rn. 167).
Der Gesetzgeber normiert damit hinsichtlich der Konkretisierung der Beweisbehauptung ein Optimierungsgebot. Es hält im Fall des Sachverständigenbeweises den um den Nachweis wissenschaftlicher Erfahrungssätze bemühten Antragsteller dazu an, möglichst genau zu beschreiben, welche Umstände in Kombination mit bestimmten Erfahrungssätzen darauf fußende Schlussfolgerungen nahelegen oder ausschließen. Die Mahnung, dass gerade bei Anträgen auf Anhörung eines Sachverständigen keine überspannten Anforderungen an die Formulierung einer Beweisbehauptung gestellt dürfen, da der Antragsteller vielfach nicht in der Lage sei, die seinem Beweisziel zugrundeliegenden Vorgänge und Zustände exakt zu bezeichnen (BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 - 3 StR 516/14 -, NStZ 2016, 116 sowie Beschluss vom 10. April 2019 - 4 StR 25/19 -, NStZ 2019, 628), befreit den Antragsteller nicht davon, Aufwand für Recherche und Überlegung zu betreiben. Sie ist kein "Freibrief für liederliche Antragsabfassung" (Ventzke in NStZ 2019, 629 (630)).
Danach gilt vorliegend Folgendes: In der Antragsbegründung wird präzisiert, welche Wahrnehmung ein durchschnittlicher Betrachter dieser Bilder auf den ersten Blick machen soll. Damit kann dem Antrag im Wege der Auslegung die Behauptung einer konkreten Tatsache, in diesem Fall innerpsychische Vorgänge oder Gegebenheiten (vgl. Krehl in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Aufl. (2023), § 244 Rn. 69) mit potentieller Bedeutung für die Schuldfrage, entnommen werden. Denn ein pornographischer Inhalt zeichnet sich we...