Normenkette
ZPO §§ 119, 122; GKG § 65
Verfahrensgang
AG Ulm (Aktenzeichen 1 F 1029/01) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluss des Amtsrichters beim AG Ulm vom 8.7.2002 wird zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Mit Anwaltsschriftsatz vom 3./4.8.2001 hat die Antragstellerin „Antrag auf Ehescheidung und Antrag auf Prozesskostenhilfe” gestellt; darin heißt es abschließend: „Um das Verfahren zu beschleunigen, wird neben dem Prozesskostenhilfeantrag der Gerichtskostenvorschuss per Verrechnungsscheck mit der Bitte eingezahlt, die Antragsschrift sofort zuzustellen”. Dem Antrag war eine vollständig ausgefüllte „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse” samt zahlreichen Belegen beigefügt. Der beigelegte Verrechnungsscheck der Antragstellervertreterin über 325 DM wurde alsbald der Gerichtszahlstelle zugeleitet und eingelöst.
Im Anschluss an die Sitzung des FamG vom 23.10.2001 wurde das Scheidungsurteil verkündet, in dem die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben wurden. Durch Beschluss vom 2.11.2001 hat der Familienrichter der Antragstellerin für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Verpflichtung zu Ratenzahlungen bewilligt und die Antragstellervertreterin beigeordnet (Bl. 40 f. d.A.).
Nach Vergütung der Antragstellervertreterin hat diese beantragt, den eingezahlten Vorschuss zurückzuerstatten. Mit Kostenrechnung vom 28.2.2002 hat die Kostenbeamtin den Vorschuss von 166,17 Euro auf die nach Nr. 1510/1516 KV/GKG beruhende Kostenschuld der Antragstellerin i.H.v. 135,49 Euro und auf die Kostenschuld des Antragsgegners i.H.v. 30,68 Euro verrechnet. Dagegen legte die Antragstellerin Erinnerung gem. § 5 GKG ein.
Durch Beschluss vom 8.7.2002 ordnete der Familienrichter an, dass der eingezahlte Gebührenvorschuss an die Antragstellerin (in voller Höhe) zurückzuzahlen ist, weil sich die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf den gesamten Rechtszug erstreckt und auf den Tag der Antragstellung zurückwirkt (Bl. 66 f. d.A.).
Dagegen wendet sich der Bezirksrevisor mit der Beschwerde, mit der er unter Berufung auf die Rspr. des Senats geltend macht, die Prozesskostenhilfebewilligung wirke nur für die Zukunft und befreie nicht von bereits erfolgten Zahlungen. Der Amtsrichter hat der Beschwerde des Bezirksrevisors unter Hinweis auf die Praxis beim AG Ulm nicht abgeholfen.
II. Die nach § 5 Abs. 2 GKG zulässige Beschwerde des Bezirksrevisors hat in der Sache keinen Erfolg. Der Senat teilt die Ansicht des Familienrichters, dass die „rückwirkende” Prozesskostenhilfebewilligung sich in der vorliegenden Konstellation auch auf die Verfahrensgebühr erstreckt. Soweit sich aus den Senatsbeschlüssen vom 11.12.1986 (OLG Stuttgart v. 11.12.1986 – 8 WF 73/86, MDR 1987, 329 = Die Justiz 1987, 108 = JurBüro 1987, 771 = Rpfleger 1987, 173 = FamRZ 1987, 399 = NJW-RR 1987, 508) und vom 17.10.1983 (OLG Stuttgart v. 17.10.1983 – 8 W 393/83, MDR 1984, 151 = JurBüro 1984, 294 = Rpfleger 1984, 114) für die vorliegende Sachverhaltsgestaltung etwas Anderes entnehmen lässt, hält der Senat daran nicht fest.
1. Für die zeitliche Geltung von Prozesskostenhilfe innerhalb des Rechtszugs (§ 119 ZPO) ist in erster Linie der richterliche Bewilligungsbeschluss maßgebend (vgl. § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Enthält der Bewilligungsbeschluss – wie hier – keine konkrete Zeitbestimmung, erfasst er regelmäßig den ganzen Rechtszug ab Vorlage eines bewilligungsfähigen Antrags (inzwischen wohl h. A.; vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 119 Rz. 38–40; Wax in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 119 Rz. 47/48; Musielak/Fischer, ZPO, 3. Aufl., § 119 Rz. 10; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 119 Rz. 27; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 24. Aufl., § 119 Rz. 2; Wieczorek/Schütze/Steiner, ZPO, 3. Aufl., § 119 Rz. 5; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe …, 2. Aufl., § 119 Rz. 500 ff., 505; Schoreit/Dehn, Beratungshilfe …, 7. Aufl., § 119 Rz. 7, je m.RsprN.). Letzteres erfordert grundsätzlich nicht nur die Vorlage einer ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern auch der erforderlichen Belege (§ 117 ZPO). Hier wurde ein vollständiger PKH-Antrag zugleich mit dem Hauptsacheantrag eingereicht.
Dass der Beschluss des Richters über die Prozesskostenhilfe-Bewilligung und Anwaltsbeiordnung erst einige Tage nach der verfahrensabschließenden Urteilsverkündung gefasst wurde, ist zwar verfahrensfehlerhaft, aber hier unschädlich, denn die nicht mehr im Einflussbereich der hilfsbedürftigen Partei liegende Verzögerung darf nicht zu deren Lasten gehen (vgl. BGH v. 30.9.1981 – IVb ZR 694/80, MDR 1982, 217 = NJW 1982, 446 = FamRZ 1982, 58; v. 6.12.1984 – VII ZR 223/83, MDR 1985, 663 = NJW 1985, 921; v. 5.2.1998 – IX ZR 263/96, MDR 1998, 560 = NJW-RR 1998, 642; Zöller/Philippi, § 117 Rz. 2b; Wax in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Rz. 50; Wieczorek/Steiner, ZPO, 3. Aufl., § 119 Rz. 6; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 1...