Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung des Verfahrenspflegers

 

Leitsatz (amtlich)

Die Begleitung des Umgangs des Vaters mit dem Kind liegt außerhalb des gesetzlichen Aufgabenbereichs eines „Verfahrenspflegers für das Kind”. Erteilt das Gericht dem Verfahrenspfleger gleichwohl einen solchen Auftrag, ist der dadurch entstandene Zeitaufwand nur vergütungsfähig, soweit der Verfahrenspfleger auf die Rechtmäßigkeit der Anordnung vertrauen durfte (Ergänzung zu den Senatsbeschlüssen vom 6.11.2000 [OLG Stuttgart, Beschl. v. 6.11.2000 – 8 WF 91/99, OLGReport Stuttgart 2002, 269 = Die Justiz 2002, 411; Beschl. v. 29.10.2002 – 8 WF 20/02, OLGReport Stuttgart 2003, 165 = Die Justiz 2003, 85]).

 

Normenkette

FGG §§ 50, 56g

 

Verfahrensgang

AG Nagold (Aktenzeichen F 233/00)

 

Gründe

I. Gegenstand dieser Entscheidung sind von der Verfahrenspflegerin geltend gemachte Vergütungsansprüche für ihre Tätigkeit in einem Umgangsrechtsverfahren während eines laufenden Scheidungsverfahrens. Die Mutter verweigerte immer wieder den Umgang des Vaters mit dem zum Zeitpunkt der Bestellung der Verfahrenspflegerin gut 10 Monate alten Kind; der Vater sei dafür nicht geeignet. Nachdem die Begleitung des Umgangs durch den Kinderschutzbund gescheitert war, beauftragte der Familienrichter die Verfahrenspflegerin durch mehrere Beschlüsse, den väterlichen Umgang mit dem Kind für mehrere näher bezeichnete Termine zu begleiten. Dem väterlichen Anspruch auf Umgang verlieh das AG durch ein – im Beschwerdeverfahren vom OLG bestätigtes – Zwangsgeld Nachdruck.

Für ihre Tätigkeit in der Zeit von April bis Oktober 2001 stellte die Verfahrenspflegerin drei Vergütungsfestsetzungsanträge über insgesamt ca. 4.700 DM. Der Rechtspfleger des AG hat diesen Anträgen – bis auf die Kosten für die Inanspruchnahme einer kollegialen Beratung – entsprochen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Bezirksrevisorin, die eine Ermäßigung der Vergütung auf ca. 2.700 DM erstrebt, weil die von der Verfahrenspflegerin erbrachte Tätigkeit über die gesetzliche Aufgabe eines Verfahrenspflegers hinausgehe. Die Verfahrenspflegerin ist dem Rechtsmittel entgegengetreten; ihre Tätigkeit sei vom Gericht angeordnet und notwendig gewesen.

II. Die sofortige Beschwerde der Bezirksrevisorin ist statthaft und auch sonst zulässig (§§ 56g Abs. 5, 22 Abs. 1 FGG), in der Sache aber ohne Erfolg.

1. Der Senat teilt die überwiegend in der Rspr. vertretene Auffassung, dass die vom Gesetzgeber normierte Aufgabe des Verfahrenspflegers darin besteht, im Streit der Eltern die Interessen des Kindes festzustellen und im Verfahren zur Geltung zu bringen. Dem vertretenen Kind soll so im Verfahren ein gesetzlicher Vertreter zur Durchsetzung seiner tatsächlich formulierten oder zu ermittelnden Interessen und Wünsche zur Seite stehen (vgl. BVerfG FamRZ 2000, 1280). Diese Aufgabe erfordert in je nach Alter des Kindes unterschiedlichem Umfang auch die Führung von Gesprächen mit den Eltern und/oder anderen Bezugs- oder Auskunftspersonen. Für deren Vergütungsfähigkeit genügt eine gerichtliche Plausibilitätskontrolle. Die Vergütung des Verfahrenspflegers richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitaufwand, der zur Erfüllung der so umschriebenen Aufgabe erforderlich war. Dabei kann auch eine pauschalierende Betrachtung des Zeitaufwands in Betracht kommen (vgl. den zur Veröffentlichung bestimmten Senatsbeschluss OLG Stuttgart, Beschl. v. 29.10.2002 – 8 WF 20/02).

2. Anders liegt der Fall dann, wenn ein Verfahrenspfleger vom Gericht konkret mit Tätigkeiten beauftragt wird, die über den gesetzlich bestimmten Aufgabenbereich hinausgehen. In einem solchen Fall kann der bestellte Verfahrenspfleger, soweit er im Rahmen seiner Berufsausübung bestellt wird, darauf vertrauen, dass die ihm vom Gericht übertragene Tätigkeit auch vergütet wird. Seine Vergütung richtet sich dann nach dem erforderlichen Zeitaufwand für die Erfüllung der vom Gericht vorgegebenen Aufgabe. Dies hat der Senat bereits für den Fall entschieden, dass ein Verfahrenspfleger vom Gericht mit der Auswahl einer geeigneten Einrichtung für das Kind beauftragt wird (OLG Stuttgart, Beschl. v. 6.11.2000 – 8 WF 91/99, OLGReport Stuttgart 2002, 269 = Die Justiz 2002, 411; vgl. auch OLG Hamm v. 19.12.2000 – 15 W 406/00, FamRZ 2001, 1540).

Im vorliegenden Fall ist die Verfahrenspflegerin – wie sich aus den Akten ergibt – über den gesetzlichen Aufgabenbereich hinaus vom AG mehrfach mit der Betreuung von Umgangskontakten zwischen Vater und Kind beauftragt worden. … Die gerichtliche Beauftragung … erfolgte teils konkludent, teils ausdrücklich und hat das Verfahren konkret gefördert.

Ob und inwieweit der Richter befugt ist, einen Verfahrenspfleger über seinen gesetzlichen Aufgabenbereich hinaus auch für Tätigkeiten einzusetzen, die dem Wohl des Kindes und der Erreichung des Verfahrensziels dienlich sind und von den primär zuständigen Jugendämtern wegen zunehmender Personalknappheit praktisch nicht mehr wahrgenommen werden (können), bedarf hier weder einer vertieften Erörterung noch...

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