Leitsatz (amtlich)
Unmutsäußerungen auch salopper bis derber Art, mit welchen ein Richter seiner Enttäuschung darüber Ausdruck verleiht, dass der Geschäftsführer einer beklagten GmbH trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht zum Verhandlungstermin erschienen ist, sind für sich genommen grundsätzlich nicht geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters in dem zwischen den Parteien zu entscheidenden Rechtsstreit zu begründen.
Normenkette
ZPO § 42 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 18.01.2012; Aktenzeichen 35 O 42/11 KfH) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des LG Stuttgart vom 18.1.2012 (35 O 42/11 KfH) wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: 50.000 EUR
Gründe
A.I.1. Die Beklagte ist eine GmbH mit Sitz in O, deren Geschäftsanteile je zur Hälfte vom Kläger und dessen Bruder H-M S gehalten werden. Letzterer ist zugleich alleiniger Geschäftsführer der Beklagten.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass der in der Gesellschafterversammlung vom 19.4.2011 zur Beschlussfassung gestellte Antrag über die Auflösung der Zweigniederlassung P der Beklagten aufgrund des Abstimmungsergebnisses nicht angenommen worden sei (vgl. GA 2).
Mit Verfügung vom 4.8.2011 (hier: Ziff. I. und IV.; GA 19) hatte der abgelehnte Vorsitzende Richter am LG ... das persönliche Erscheinen der Parteien zur Aufklärung des Sachverhalts und für einen Güteversuch zum Termin vom 24.11.2011 angeordnet. Nachdem der Geschäftsführer der Beklagten nicht zum Termin erschienen und sein Fernbleiben durch den Beklagtenvertreter mit "dringenden Angelegenheiten" begründet worden war (vgl. S. 1 der Sitzungsniederschrift vom 24.11.2011; GA 52), äußerte der Vorsitzende Richter im Zusammenhang hiermit, dass H-M S der Ladung des Gerichts hätte Folge leisten und sich der Auseinandersetzung oder Diskussion stellen sollen, statt den "Schwanz einzuziehen" (vgl. GA 59). Während eines zwischen dem Beklagtenvertreter und dem Vorsitzenden Richter am folgenden Tage geführten Telefongesprächs war letzterer nicht bereit, den beanstandeten Ausdruck ("Schwanz einziehen") zu relativieren (a.a.O.).
2. Mit Schriftsatz vom 1.12.2011 (GA 54 ff.) lehnte die Beklagte daraufhin den Vorsitzenden Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab und begründete dies mit der Unangemessenheit seiner Wortwahl. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung des Ablehnungsgesuchs wird auf den vorerwähnten Schriftsatz Bezug genommen.
II. Mit Beschluss vom 18.1.2011 (GA 79 ff.) wies das LG das Ablehnungsgesuch der Beklagten zurück.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dieses zwar zulässig sei, jedoch in der Sache keinen Erfolg habe. Es liege kein objektiver Grund vor, welcher aus Sicht einer verständigen Prozesspartei berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder der Unabhängigkeit des abgelehnten Richters aufkommen lasse. Die von der Beklagten beanstandete Wortwahl stelle lediglich eine umgangssprachliche Redewendung dar, welche so viel bedeute wie "sich zurückziehen" oder "feige sein" (LGB 3; GA 81). Diese Ausdrucksweise des abgelehnten Richters habe sich auf das Verhalten des Geschäftsführers der Beklagten bezogen, welcher nach Ansicht des abgelehnten Richters "zu feige" gewesen sei, sich - trotz Ladung - dem Rechtsstreit persönlich zu stellen. Die Wortwahl habe keinen beleidigenden Inhalt gehabt. Die Wirkung der umgangssprachlichen Wendung werde dadurch abgeschwächt, dass sich diese Äußerung lediglich auf das Verhalten des gesetzlichen Vertreters der Beklagten bezogen habe und erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei einem Gespräch zwischen dem abgelehnten Richter und dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten geäußert worden sei (LGB 4; GA 82).
Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf den landgerichtlichen Beschluss Bezug genommen.
III.1. Gegen den ihr am 23.1.2012 zugestellten (GA 83) Beschluss des LG vom 18.1.2012 richtet sich die am 3.2.2012 vorab per Telefax eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten aus deren Schriftsatz vom 2.2.2012 (GA 86 ff.).
a) Nach ihrer Auffassung stellt die Wortwahl "Schwanz einziehen" im hier gegebenen Zusammenhang keine hinzunehmende umgangssprachliche Äußerung, sondern vielmehr eine nicht gerechtfertigte Unmutsäußerung gar beleidigenden Charakters dar, welche im Hinblick auf die durchgängig in einem ruhigen und sachlichen Ton geführte Verhandlung vor dem LG nicht veranlasst gewesen sei. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe im Termin vom 24.11.2011 ausdrücklich klargestellt, dass er es gewesen sei, welcher dem Geschäftsführer der Beklagten - im Hinblick auf von diesem wahrzunehmende wichtige Termine in Indien - die Auskunft erteilt habe, dass er dem Verhandlungstermin fernbleiben könne, nachdem es in dem Rechtsstreit nicht um dessen persönliche Wahrnehmungen gehe (GA 94 ff.). Der Geschäftsführer der Beklagten habe damit - für den abgelehnten Richter ersichtlich - lediglich zulässigerweise von dem prozess...