Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfügungsbefugnis des transmortal bevollmächtigten Vorerben
Leitsatz (amtlich)
Der von dem Erblasser trans- oder postmortal bevollmächtigte Vorerbe kann auch den Nacherben wirksam vertreten, ohne den Verfügungsbeschränkungen der §§ 2112, 2113 BGB unterworfen zu sein.
Normenkette
BGB §§ 2112-2113, 2136; GBO § 51
Verfahrensgang
AG Böblingen (Beschluss vom 02.04.2019; Aktenzeichen BOE24 GRG 32/2019) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Amtsgerichts Böblingen - Grundbuchamt - vom 02.04.2019 (Az.: BOE24 GRG 32/2019) aufgehoben.
2. Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Eintragungsantrag nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen.
Gründe
I. Die am ... .2017 verstorbene, im Grundbuch als Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes eingetragene ... ... hatte ihren Kindern, den Beteiligten, am 14.06.2005 - je einzeln - eine notariell beurkundete General- und Vorsorgevollmacht erteilt, welche ausdrücklich über den Tod hinaus fortwirken sollte.
Nach dem vorgelegten Erbschein des Amtsgerichts Aalen - Nachlassgericht - vom 19.06.2018 sind die Beteiligten nicht befreite Vorerben ihrer Mutter zu je 1/4, Nacherben sind nach dem Ableben eines Vorerben die leiblichen Kinder des jeweiligen Vorerben; sämtliche Nachlassgegenstände mit Ausnahme des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes stehen den Vorerben als Vorausvermächtnis zu.
Am 08.02.2019 hat die Beteiligte zu 4 vor Notar ... in Schwäbisch Gmünd auch im Namen der übrigen Beteiligten Grundbuchberichtigung dahingehend beantragt, dass die Beteiligten als Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes eingetragen werden. Gleichzeitig hat sie namens der Nacherben den Grundbesitz aus der Nacherbschaft frei gegeben und die Löschung des Nacherbenvermerks im Wege der Grundbuchberichtigung bewilligt und beantragt. Der Notar hat den Antrag mit Schreiben vom 14.02.2019 bei dem Grundbuchamt eingereicht.
Mit Beschluss vom 02.04.2019 hat das Grundbuchamt im Wege der Zwischenverfügung beanstandet, dass dem Vollzug des Antrags vom 08.02.2019 Eintragungshindernisse entgegenstehen. Da die transmortal erteilte Vollmacht bis zum Eintritt des Nacherbfalls nur zur Vertretung der Vorerben und nicht zur Vertretung der Nacherben berechtige, bedürfe es der Freigabe durch die Nacherben in der Form des § 29 GBO. Für die noch unbekannten Nacherben sei ein Pfleger zu bestellen, die Freigabe auch von diesem zu erklären und von dem Nachlassgericht zu genehmigen. Bezüglich der bekannten Nacherben sei die Stellung als leibliches Kind durch Vorlage einer Geburtsurkunde nachzuweisen, außerdem sei eine eidesstattliche Versicherung des jeweiligen Vorerben vorzulegen, aus welcher sich ergebe, dass derzeit keine weiteren leiblichen Kinder bekannt seien. Zur Erledigung hat das Grundbuchamt Frist gesetzt bis zum 06.05.2019.
Gegen diese Entscheidung hat der vertretungsbefugte Notar mit Schriftsatz vom 06.05.2019 Beschwerde eingelegt, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 15.05.2019 nicht abgeholfen hat.
II. Die nach §§ 71 ff. GBO zulässige Beschwerde der Beteiligten hat auch in der Sache Erfolg.
Die von dem Grundbuchamt in der angegriffenen Entscheidung aufgezeigten Eintragungshindernisse liegen nicht vor. Aufgrund der von der Beteiligten zu 4 in Vollmacht auch für die Nacherben erklärten Freigabe des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes aus der Nacherbschaft und Bewilligung der Löschung des Nacherbenvermerks sind die Voraussetzungen für die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung der Beteiligten als Eigentümer ohne Nacherbenvermerk gegeben.
In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob eine über den Tod hinaus wirkende Vollmacht des Erblassers nach dessen Ableben bis zum Eintritt des Nacherbfalls den Bevollmächtigten auch zur Vertretung des Nacherben legitimiert.
Hierzu wird einerseits die Auffassung vertreten, eine vom Erblasser dem Vorerben oder einem Dritten erteilte Vollmacht berechtige bis zum Nacherbfall nur zur Vertretung des Vorerben, so dass auch ein Bevollmächtigter dessen Verfügungsbeschränkungen unterliege (Grunsky in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 2112, Rn. 10; Hoeren in Schulze, BGB, 10. Aufl. 2019, § 2112, Rn. 12; Gierl in Kroiß/Ann/Mayer, BGB Erbrecht, 5. Aufl. 2018, § 2112, Rn. 20; Schmidt in Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 2112, Rn. 5; Hamdan in jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 2112, Rn. 17; Avenarius in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2013, § 2112, Rn. 33 f.; § 2100, Rn. 47; Edenhofer in Palandt, BGB, 67. Aufl., § 2112, Rn. 7; Böttcher, NotBZ 2011, 269, 276). Das Rechtsverhältnis, auf dem die Fortdauer der Vollmacht gemäß § 168 BGB beruhe, bestehe nach Ableben des Vollmachtgebers nur zwischen dem Vollmachtnehmer und dem Vorerben, der Nacherbe sei vor Eintritt des Nacherbfalls an diesem Rechtsverhältnis nicht beteiligt. Ein Widerruf der Vollmacht durch den Nacherben sei daher nicht möglich (Grunsky a,a,O.). Überdies könne es zu einem Widerruf häufig allein aus tatsächlichen...