Leitsatz (amtlich)
1. Ein Beteiligter in einem Wohnungseigentumsverfahren ist so lange als verfahrensfähig zu behandeln, bis das Fehlen seiner Verfahrensfähigkeit rechtskräftig fest steht. Dieser Grundsatz ist auf die Partei und ihren gesetzlichen Vertreter beschränkt und kann dann nicht zur Anwendung kommen, wenn es um einen Mangel der gewillkürten Vertretung eines Beteiligten im Verfahren geht.
2. Nach § 182 Abs. 1 S. 1 ZPO n.F. dient die Zustellungsurkunde nur noch dem Nachweis der Zustellung und ist damit für die Zustellung nicht mehr konstitutiv. Lücken der Zustellungsurkunde können daher durch Feststellungen des Gerichts, die aus Umständen außerhalb der Zustellungsurkunde herrühren, geschlossen werden.
3. Mehrere Schriftstücke können auch in einer Sendung zugestellt werden.
4. Das Fehlen des Aktenzeichens zuzustellender Schriftstücke auf dem Umschlag der Sendung führt nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung. Der Nachweis der Identität des zuzustellenden und des in der Ausführung der Zustellung übergebenen bzw. niedergelegten Schriftstücks kann auch auf andere Art erfolgen als durch die Übereinstimmung der Geschäftsnummer auf der Zustellungsurkunde und der zuzustellenden Sendung (abweichend zu § 211 Abs. 1 ZPO a.F. BGH LM § 211 ZPO Nr. 1).
Normenkette
WEG § 43 Abs. 1, § 45; FGG § 16 Abs. 2; ZPO §§ 176, 182
Verfahrensgang
Tenor
1. Die sofortigen weiteren Beschwerden der beiden Antragssteller gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 6.6.2005 (AZ: 2 T 25/04) werden verworfen.
2. Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde. Die Antragstellerin 2 hat die Hälfte der in diesem Verfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Geschäftswert: 900 EUR.
Gründe
I. Die Antragsteller sind seit dem 1.2.1999 Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft S. in L. Die Hausarmaturen für Kalt- und Warmwasser sowie für die Heizung und die Abgänge der Stichleitungen zu den einzelnen Wohnungen der Wohnungsanlage befinden sich in einem Keller, der im Sondereigentum der Antragsgegner steht. Mit dem vorliegenden Verfahren begehren die Antragsteller den Zugang zu diesem Keller. Nach dem Einrichten eines Schlüsselverstecks, das den Zugang zu diesem Kellerraum in Notfällen ermöglichen soll, haben die Antragsteller ihren Antrag auf Zugangsgewährung aufrecht erhalten, auch weil die Antragsgegner ihnen das Betreten dieses Raumes vollständig verboten hätten.
Zuletzt haben die Antragsteller mit Schreiben vom 1.12.2002 (Bl. 326) beantragt, den Antragsgegnern aufzugeben, jederzeit allen Miteigentümern und Mitbewohnern den Zugang zu dem Kellerraum mit den Hausarmaturen zu ermöglichen, den Antragsgegnern für den Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsmittel anzudrohen und die Antragsgegner zu verpflichten, den Antragstellern für jede Heizperiode ab 1999/2000 bis zur Zustellung des Gerichtsbeschlusses pauschal 50 EUR Entschädigung für die elektrische Zusatzheizung zu zahlen. Den Antragstellern sollte der beantragte Zugang zu dem Kellerraum vorab mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung gewährt werden.
Aus den Schreiben der Antragsteller ergibt sich, dass sie bis Ende 2002 18 Verfahren im Zusammenhang mit ihrem Wohnungseigentum anhängig hatten, davon 16 Verfahren mit ihnen als Antragsteller. Das bisherige Verfahren besteht im wesentlichen aus einer Vielzahl von Untätigkeitsbeschwerden, Dienstaufsichtsbeschwerden, Ablehnungsgesuchen und Gegenvorstellungen der Antragsteller.
Mit Beschl. v. 30.4.2003 beschloss das AG Leonberg, zur Feststellung der Prozessfähigkeit des Antragstellers 1, der auch die Antragstellerin 2 vertritt, ein schriftliches psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen. Unter dem Datum vom 15.10.2003 legte der Nervenarzt und selbständige psychiatrische Gutachter Dr. med. R. ein schriftliches Gutachten vor, wonach der Antragsteller 1 nicht mehr in der Lage sei, in einer Rechtssache vernünftig tätig zu werden. Die psychopathologischen Voraussetzungen des Antragstellers 1 schlössen seine Prozessfähigkeit aus. Deshalb wies das AG Leonberg mit Beschl. v. 14.1.2004 den Antrag der Antragsteller kostenpflichtig zurück.
In dem durch die Antragsteller eingeleiteten Beschwerdeverfahren beschloss das LG Stuttgart am 16.8.2004, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob der Antragsteller 1 gem. § 104 BGB geschäftsfähig ist, insb. in Bezug auf die Führung gerichtlicher Verfahren. Obwohl dem Antragsteller 1 durch Beschluss des LG Stuttgart vom 24.11.2004 ausdrücklich die Wahrnehmung des Untersuchungstermins beim Sachverständigen aufgegeben worden war, erschien er zu dem vom Sachverständigen anberaumten Untersuchungstermin nicht. Nachdem eine Verfügung des LG vom 12.1.2005, in der den Antragstellern ihre prozessuale Situation dargelegt und um Mitteilu...