Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Erstattungsfähigkeit und Quotierung der Kosten eines Privatgutachtens bei dessen Verwendung in mehreren Verfahren
Normenkette
ZPO § 91
Verfahrensgang
LG Hechingen (Entscheidung vom 27.09.2018; Aktenzeichen 3 O 11/15) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2) wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hechingen vom 27.09.2018, Az. 3 O 11/15, wie folgt abgeändert:
Die nach dem Vergleich gem. Beschluss des Landgerichts Hechingen vom 07.10.2015 von dem Kläger an die Beklagte zu 2) gem. § 106 ZPO zu erstattenden Kosten werden auf 6.603,46 EUR (in Worten: sechstausendsechshundertdrei 46/100 Euro) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 12.10.2015 festgesetzt.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren um die Berücksichtigungsfähigkeit von Privatgutachterkosten.
Im Rechtsstreit obigen Aktenzeichens machte der Kläger Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall geltend. Die Beklagte zu 2) verteidigte sich u. a. damit, es habe sich um ein manipuliertes Unfallgeschehen gehandelt, für das sie nicht einstandspflichtig sei. Mit der Klageerwiderung (Anl. B3) legte sie ein von ihr in Auftrag gegebenes Privatgutachten des Prof. Dr.-Ing. ... vor, das sich mit der Unfallanalyse und den Schäden am klägerischen Fahrzeug befasste.
Die Parteien erledigten den Rechtsstreit durch Prozessvergleich (Bl. 155), in dem eine Kostenquote von 62,5% zu Lasten des Klägers vereinbart wurde. Beide Parteien beantragten Kostenausgleichung, die Beklagte zu 2) dabei u. a. die Festsetzung des Honorars für den Privatgutachter in Höhe von 8.794,77 EUR.
Die Rechtspflegerin setzte mit Beschluss vom 27.09.2018 (Bl. 174) die von dem Kläger an die Beklagte zu 2) zu erstattenden Kosten auf 2.480,91 EUR fest. Die Privatgutachterkosten hielt es nur zu einer Quote von 1/4 (= 2.198,69 EUR) für festsetzungsfähig, weil die Beklagte zu 2) es noch in drei anderen Verfahren verwendet habe:
LG Hechingen 1 O 63/11 (... ./. ...)
AG Hechingen 2 C 160/11 (... ./. ...)
AG Hechingen 5 Ls 15 Js 4930/11 (Strafsache ...)
Gegen diesen ihr am 10.10.2018 zugestellten (Bl. 181) Beschluss wendet sich die Beklagte zu 2) mit ihrer am 18.10.2018 vorab per Telefax (Bl. 182) bei dem Landgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit der sie die antragsgemäße Berücksichtigung der Privatgutachterkosten erstrebt.
Sie ist der Auffassung, die erforderliche Prozessbezogenheit sei in diesem - und nur in diesem - Rechtsstreit zu bejahen. Eine quotale Berücksichtigung müsse sich - wenn überhaupt - nicht an der Zahl der Verfahren orientieren, sondern an deren Streitwert. Das Strafverfahren und das PKH-Prüfverfahren müssten bei einer Quotierung jedenfalls außer Betracht bleiben.
Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat mit Beschluss vom 20.12.2018 (Bl. 188) dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht vorgelegt.
Im Beschwerdeverfahren bestand Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Der Einzelrichter hat mit Beschluss vom 29.01.2019 (Bl. 199) die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat zur Entscheidung übertragen.
II. Die gem. § 104 Abs. 3 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2) ist begründet. Die von der Beklagten zu 2) geltend gemachten Privatgutachterkosten sind in vollem Umfang erstattungsfähig.
1. Im Verfahren nach §§ 103ff. ZPO können nur "Prozesskosten" festgesetzt werden (§ 103 Abs. 1 ZPO). Zu diesen gehören - neben den Gerichtskosten - insbesondere die Gebühren, die die Parteien für ihre Prozessbevollmächtigten aufwenden müssen (§ 91 ZPO).
a) Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die Festsetzungsfähigkeit von Privatgutachterkosten nicht selbstverständlich. So werden Gutachten, die zur Klärung des materiell-rechtlichen Rechtsverhältnisses (etwa der Einstandspflicht einer Versicherung) eingeholt werden, nicht für erstattungsfähig gehalten (Schulz, in: MüKo-ZPO, 5. Aufl., Rdnr. 158 zu § 91), auch nicht wenn ein solches Gutachten später Eingang in einen Schriftsatz findet oder gar vom Gericht verwertet wird.
b) Die Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten prüft der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung anhand des Merkmals der "Prozessbezogenheit". Maßgeblich ist die inhaltliche Nähe der Gutachteneinholung zum sich konkret abzeichnenden Rechtsstreit (BGH, Beschl. v. 23.05.2006, VI ZB 7/05). Ein zeitlicher Zusammenhang wird die Prozessbezogenheit - wenn er vorliegt - zusätzlich indizieren, kann aber jedenfalls nicht für alle Fälle vorausgesetzt werden (siehe etwa BGH, Beschl. v. 14.10.2008, VI ZB 16/08, zu Fällen sich aufdrängenden Versicherungsbetrugs).
Dass das Gutachten in einem (irgendeinem) Rechtsstreit verwendet wird, ist hingegen nicht ausreichend; es muss sich auf den konkreten Rechtsstreit beziehen und mit Rücksich...