Leitsatz (amtlich)
1. Die Herabsetzung der Vorstandsvergütung nach § 87 Abs. 2 AktG setzt eine Ermessensentscheidung des Aufsichtsrats sowohl hinsichtlich des "Ob" als auch des "Wie" der Herabsetzung voraus.
2. Bei einem Ermessensausfall ist der Herabsetzungsbeschluss unwirksam. Unter diesen Umständen scheidet auch eine Bestimmung der angemessenen Höhe der Vergütung durch das Gericht aus.
3. Die angemessene Höhe der Vergütung richtet sich nicht vorrangig nach dem weiteren Nutzen der Vorstandstätigkeit für die Gesellschaft, sondern zugleich nach den berechtigten Interessen des Vorstands. Sie orientiert sich regelmäßig an der Vergütung, die ein vergleichbares Unternehmen für die Neuanstellung eines Vorstandsmitglieds aufwenden müsste.
Normenkette
AktG § 87 Abs. 2; BGB § 313 Abs. 1, § 315 Abs. 3
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägers wird das Urteil des LG Tübingen vom 22.4.2013 - Az. 20 O 48/12 - in Ziff. 1, 3 und 4 des Tenors abgeändert und der Tenor insgesamt wie folgt neu gefasst:
(1) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 52.860,31 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.5.2012 aus einem Betrag von EUR 17.650,95, seit dem 1.6.2012 aus einem weiteren Betrag i.H.v. 17.604,68 sowie seit dem 2.7.2012 aus einem weiteren Betrag i.H.v. 17.604,68 zu bezahlen.
(2) Der Beklagte wird verurteilt, zur Insolvenztabelle festzustellen, dass dem Kläger in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der X AG (AG T. -...), L-Straße.,... R., eine Insolvenzforderung i.H.v. 38.510,40 EUR zusteht.
(3) Der Beklagte wird verurteilt, zur Insolvenztabelle festzustellen, dass dem Kläger in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der X AG (AG T. -...), L-Straße.,... R., eine Insolvenzforderung i.H.v. 93.388,08 EUR zusteht.
(4) Es wird festgestellt, dass die am 15.3.2012 von dem Aufsichtsrat der X AG beschlossene Herabsetzung der Vorstandsgehälter dem Kläger gegenüber unwirksam ist.
(5) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.641,96 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.7.2012 zu bezahlen.
2. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 Prozent des aus dem Urteil für den Kläger insgesamt vollstreckbaren Betrages abzuwenden, es sei denn der Kläger leistet vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Berufungsstreitwert: 83.485,93 EUR
Gründe
I. Die Parteien streiten um ausstehende Vergütungsansprüche aus einem Anstellungsvertrag als Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft, der X AG (im Folgenden "Schuldnerin"), über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Die Schuldnerin war im Frühjahr des Jahres 2011 durch formwechselnde Umwandlung aus der X ..... GmbH entstanden, um durch den Rechtsformwechsel einen Börsengang vorzubereiten. Das Grundkapital der Gesellschaft betrug 3.000.000 EUR. Im Jahr 2009 betrug der Umsatz der X ..... GmbH ca. 46 Mio. Euro und im Jahr 2010 ca. 85 Mio. Euro bei einem Gewinn von ca. 2 Mio. bzw. 3,4 Mio. Euro. Der Kläger war seit dem 1.7.2010 Geschäftsführer der GmbH und dort vor allem für den Finanzbereich zuständig gewesen. Mit der Umwandlung wurde der Kläger am 14.4.2011 zum Vorstand der Schuldnerin als CFO (Chief Financial Officer) ernannt unter gleichzeitigem Abschluss eines Anstellungsvertrages
In diesem Anstellungsvertrag vom 14.4.2011, der bis zum 31.12.2012 fest abgeschlossen war, war unter § 3 ein Jahresbruttogehalt von 188.000 EUR (monatlich 15.666,67 EUR) zzgl. der Übernahme von Beiträgen zur betrieblichen Altersvorsorge i.H.v. monatlich 1.000 EUR sowie Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung vereinbart (vgl. Anlage K1, Bl. 18 ff. d.A.). Zudem sollte der Kläger - neben einer unentgeltlichen Aktienoption für den Fall einer Kapitalerhöhung - eine jährliche variable Vergütung i.H.v. 1,5 Prozent des Betriebsergebnisses nach Steuern erhalten. Überdies war der Abschluss einer Unfall- und einer D & O-Versicherung durch die Schuldnerin sowie in § 7 Abs. 2 des Vertrages die Überlassung eines Dienstwagens vorgesehen. Entsprechend schloss die Schuldnerin (noch als GmbH) mit dem Kläger einen "Vertrag über die Kraftfahrzeugnutzung", in dessen § 10 für den Fall der vorzeitigen Zurückforderung des Fahrzeuges durch die Schuldnerin eine Ersatzpflicht für die entgangene Nutzungsmöglichkeit vorgesehen war (vgl. Anlage K 2, Bl. 26 d.A.).
Nachdem die Schuldnerin im Laufe des Jahres 2011 in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war und die finanzierenden Banken sich für eine Umbesetzung in der Position des Finanzvorstandes eingesetzt hatten, wurde der Kläger durch den Aufsichtsrat am 31.12.201...