Leitsatz (amtlich)
1. Zur Reichweite der Obliegenheit nach Ziff. E. 1.3 AKB zur Mitwirkung bezüglich der Auflärung des Schadensereignisses (hier: falsche Angaben zum Kaufpreis, zum Bestehen eines Kaufvertrages und zu Vorschäden).
2. Zum Hindernis des Berufens auf eine Leistungsfreiheit aufgrund Treu und Glauben (§ 242 BGB).
Normenkette
BGB § 242
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Urteil vom 23.06.2016; Aktenzeichen 4 O 199/15 Ko) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Heilbronn vom 23.06.2016 - 4 O 199/15 Ko - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Zahlung einer Versicherungsleistung aus einer bei der Beklagten genommenen Vollkaskoversicherung, der die AKB mit Stand vom 1.07.2014 zugrunde liegen, aufgrund eines Unfalls mit dem versicherten Fahrzeug vom 20.05.2015 auf der Autobahn A in der von in Richtung.
In erster Instanz hat der Kläger geltend gemacht, ihm stehe aus dem Versicherungsvertrag ein Betrag i.H.v. 21.600 Euro zu. Er habe das Fahrzeug für einen Restwert i.H.v. 36.900 Euro veräußert; unter Berücksichtigung der Selbstbeteiligung von 2.500 Euro und dem Wiederbeschaffungswert von 61.000 Euro ergebe sich dieser Betrag. Zudem stehe ihm ein Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.171,67 Euro zu.
Die Beklagte hat in erster Instanz geltend gemacht, es liege ein eintrittspflichtiger Schadenfall nicht vor. Sie sei nicht nur wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzungen des Klägers, sondern auch wegen arglistiger Falschangaben des Klägers im Zusammenhang mit der Schadenregulierung von der Leistung frei. Hierzu hat die Beklagte - im Tatsächlichen weitgehend unstreitig - vorgebracht, sie habe nach der Schadenmeldung die üblichen Überprüfungen vorgenommen; am 11.06.2015 sei dem Kläger in einem Telefonat mitgeteilt worden, dass sie den Restwert des Fahrzeuges prüfe. Bei dieser Gelegenheit habe der Kläger erklärt, er habe das Fahrzeug, das im Internet für 79.950 Euro angeboten worden sei, für 78.500 Euro gekauft. Von einem Vorschaden wisse er nichts. Am 18.06.2015 sei dem Kläger dann mitgeteilt worden, dass am Fahrzeug ein erheblicher Vorschaden vorhanden gewesen sein müsse, wodurch der Wiederbeschaffungswert beeinflusst werde. Er sei aufgefordert worden, eine Kopie des Kaufvertrags vorzulegen. Darauf habe der Kläger am 19.06.2015 geantwortet, er habe den Kaufvertrag schon zugeschickt; es seien 78.500 Euro von ihm bezahlt worden. Es sei ein Bekannter anwesend gewesen, der den Kaufpreis bestätigen könne. Zudem habe der Kläger am 19.06.2015 ein Fax mit dem "Angebot" übermittelt (GA I 62). Am 23.06.2015 sei das Fahrzeug von einem von der Beklagten beauftragten Sachverständigen besichtigt worden; es seien bei dieser Besichtigung Feststellungen dazu getroffen worden, dass am Fahrzeug ein Vorschaden vorhanden gewesen sei. Am 24.06.2015 sei dem Kläger ein Fragebogen übermittelt worden; Fragen zu weiteren Schadensereignissen und zu Vorschäden seien nicht beantwortet worden (GA I 65). Am 31.07.2015 habe der Kläger nochmals erklärt, dass es keinen Kaufvertrag gebe und dass er das Fahrzeug von einem Privatmann erworben habe.
Tatsächlich habe der Kläger das Fahrzeug aber von einer Fa. GmbH erworben. Seitens dieser habe man den Kläger von einem Vorschaden und der entsprechenden Reparatur, bei der allein für Ersatzteile 25.000 Euro notwendig gewesen seien, in Kenntnis gesetzt; auch sei der Umstand des Vorschadens im Kaufvertrag notiert worden. Nach dem Kaufvertrag habe der Kläger das Fahrzeug lediglich für 61.000 Euro erworben; dort finde sich weiter der Hinweis, dass ein "Unfallschaden bekannt" sei und zwar ein "reparierter Schaden".
Daher stehe fest, dass der Kläger einerseits Kenntnis von massiven Vorschäden gehabt habe und andererseits einen wesentlich geringeren Kaufpreis gezahlt habe. Dieser habe sie - die Beklagte - durchgängig bezüglich maßgeblicher wertbildender Faktoren des Fahrzeugs getäuscht. Er habe arglistig gehandelt.
Dem hat der Kläger entgegnet, dass er die Beklagte zu keinem Zeitpunkt über wesentliche Umstände im Zusammenhang mit der Schadensregulierung getäuscht habe. Die Beklagte habe von Anfang an nicht versucht, den Schadensfall sachgerecht zu regulieren. Es könne nicht die Rede davon sein, dass er über die Höhe des Kaufpreises getäuscht habe. Letztlich seien die Voraussetzungen für die Leistungsfreiheit nicht einmal dargetan (§ 28 Abs. 4 VVG). An den Inhalt des Telefonats vom 11.06.2015 könne er sich im Einzelnen nicht mehr erinnern; allerdings ergebe sich der wesentliche Inhalt aus seinem Schreiben...