Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Auslegung, ob eine vereinbarte Frist für eine Teil-Leistung eine unverbindliche Kontrollfrist oder eine verbindliche Zwischenfrist im Sinn des § 5 Abs. 1 S. 2 VOB/B darstellt, kommt der Bedeutung dieser Teil-Leistung für den Bauablauf eine maßgebliche Bedeutung zu. Ist die Teil-Leistung eine unabdingbare Vorarbeit für weitere Werkleistungen, handelt es sich im Zweifel um eine verbindliche Zwischenfrist.
2. Ein Verzug mit einer verbindlichen Zwischenfrist nach § 5 Abs. 1 S. 2 VOB/B kann zu einem Kündigungsrecht nach § 5 Abs. 4 VOB/B oder § 648a BGB n.F. führen.
Normenkette
BGB n.F. § 648a; BGB §§ 133, 157; VOB/A § 9 Abs. 2 Nr. 2; VOB/B § 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 4
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 11.03.2020; Aktenzeichen 14 O 461/19) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 11.03.2020, Az. 14 O 461/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 55.796,84 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche für erbrachte und nicht-erbrachte Leistungen nach Kündigung eines VOB-Bauvertrages durch den Auftraggeber.
Auf die Ausschreibung der Beklagten vom 23.04.2018 (Anlage K 1) unterbreitete die Klägerin, ein auf Flachdachsanierung und -abdichtung spezialisiertes Unternehmen, der Beklagten unter dem 14.05.2018 ein Angebot über die Dachabdichtungsarbeiten - Folienabdichtung an der Sporthalle Ost in K. (Anlagen K 2 und 3). Dieses nahm die Beklagte mit Schreiben vom 20.06.2018 - innerhalb der Bindefrist aus der Ausschreibung (29.06.2018) - an (Anlage K 5). Die vertragsgegenständliche Anlage KEV 116.1 enthält besondere Vertragsbedingungen und nimmt Bezug auf die VOB/B. Die vertragsgegenständlichen Arbeiten sollten am 16.07.2018 beginnen und am 31.08.2018 abnahmereif fertiggestellt sein (Ziff. 3.1 der Besonderen Vertragsbedingungen).
Am 25.06.2018 fand eine erste Baubesprechung unter den Beteiligten statt (Anlage K 17). Unter Ziff. 1.2 und 1.3 des darüber erstellten Protokolls ist zum Bauablauf festgehalten, dass die Demontage der Lüftungskanäle bis 13.07.2018 eine Vorleistung Dritter ist. Nach Ziff. 1.4 sollte sich die Klägerin bezüglich möglicher einzusetzender Gerätschaften wie Kran u.a. informieren. Zum Protokoll nahm die Klägerin mit E-Mail vom 27.06.2018 Stellung (Anlage K 26).
Mit E-Mail vom 28.06.2018 wies die Beklagte die Klägerin auf den Baubeginn vom 16.07.2018 und die Möglichkeit eines früheren Baubeginns hin. Darauf antwortete die Klägerin mit E-Mail vom 29.06.2018 und machte einen nicht zustande gekommenen Vertrag geltend (Anlage B 1). Es kam zu Gesprächen über erforderliche zusätzliche Arbeiten durch die Klägerin und deren Beauftragung. Dazu fand am 06.07.2018 eine Besprechung statt, über die ein Protokoll gefertigt wurde (Anlage K 9) und worin es auch um Nachträge zu Vertragsleistungen ging. Während der Besprechung wurde u.a. über den Mietkran (Ziff. 11) und die Demontage des Lüftungskanals (Ziff. 15) gesprochen sowie Termine zur Aufstellung der vertragsgegenständlichen Gerüste und Dachrandsicherungen getroffen (Ziff. 5, 15, 20.2). Zum Besprechungsprotokoll nahm die Klägerin mit E-Mail vom 10.07.2018 Stellung (Anlage K 27).
Zu den Vorarbeiten der Firma C., Subunternehmerin der Beklagten für die Demontage der Lüftungskanäle, führte die Beklagte mit E-Mail vom 13.07.2018 aus (Anlage B 3). Mit E-Mail vom 13.07.2018 (Anlage K 28) wies die Klägerin darauf hin, dass sie zugesichert habe, den Auftrag anzunehmen, es sei klar vereinbart worden, dass die zusätzlichen Leistungen und Nachträge vorher schriftlich beauftragt werden müssten. Die Klägerin führte mit E-Mail vom 18.07.2018 weiter aus und wies auch darauf hin, dass sie einen Auftrag nicht angenommen habe (Anlage B 4). Die Beklagte bzw. deren Bauleitung erwiderte mit E-Mail vom 18.07.2018 (Anlage B 5), wies auf einen geschlossenen Vertrag, eine Vergütung nach § 2 Abs. 6 VOB/B für Zusatzleistungen hin und führte aus, dass für die Demontage der Lüftung die Vorleistung der Klägerin, ein Gerüst und Kran, notwendig seien. Mit E-Mail vom 19.07.2018 (Anlage B 6) kündigte die Beklagte die Demontagearbeiten der Fa. C. zum 23.07. an und forderte die Gestellung eines Kranes. Mit E-Mail vom 19.07.2018 (Anlage B 7) führte die Beklagte zur Sache aus und wies auf das Gerüst und den Kran als Voraussetzung für die Demontagearbeiten der Fa. C. hin.
Im Zeitraum vom 06.07. bis 17.07.2018 fanden Verhandlungen über Nachträge stat...