Leitsatz (amtlich)
Eine Haftung unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsabschluss wegen Abbruchs von Vertragsverhandlungen für Aufwendungen des Vertragspartners kommt - insb. bei beurkundungspflichtigen Rechtsgeschäften - nur dann in Betracht, wenn das Verhalten nach den gesamten Umständen mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren ist und eine besonders schwere Treuepflichtverletzung vorliegt. Liegt keine Täuschung über die Abschlussbereitschaft vor und wird die Aufgabe der Absicht, kooperieren zu wollen, umgehend offen gelegt, sind diese Voraussetzungen im Zweifel nicht erfüllt. Die gilt auch dann, wenn im Rahmen der Verhandlungen über die geplante Übernahme eines Unternehmens durch Anteilserwerb der von den Erwerbern vorgesehene Mitgesellschafter und Geschäftsführer, mit den Verhandlungen über seinen Eintritt und seine Anstellung geführt werden, nach Abbruch der Verhandlungen die Anteile selbst erwirbt und den geplanten Unternehmenserwerb seiner Verhandlungspartner so zum Scheitern bringt.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 19.09.2006; Aktenzeichen 16 O 148/2006) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 19.9.2006 - 16 O 148/06 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteiles vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 200.000 EUR.
Gründe
A. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche nach dem Abbruch von Vertragsverhandlungen durch den Beklagten.
Die Klägerin, eine Schweizer Aktiengesellschaft mit Sitz in CH W, beabsichtigte Anfang des Jahres 2005, die Geschäftsanteile an der Firma AS. mit Sitz in Sch. zu erwerben, deren Geschäftsführer und Hauptgesellschafter damals F. und G. waren. Der Beklagte war - vertraglich über die O. GmbH, deren Alleingesellschafter er war, mit der AS. verbunden - beratend für diese tätig, die hierfür ein monatliches Honorar i.H.v. 10.000 EUR entrichtete.
Die Klägerin unterbreitete den Gesellschaftern der AS. mit Schreiben vom 5.5.2005 (Anlage K 1) ein sog. "unverbindliches indikatives Angebot" für den Erwerb sämtlicher Anteile der AS. einschließlich ihrer Tochtergesellschaften zu einem Kaufpreis von 10,1 bis 11,3 Mio. EUR. Nach den Plänen der Klägerin sollte als "Aquisitionsvehikel" (Anlage K 1, S. 3) bzw. "formelle Erwerberin" eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet oder eine solche Gesellschaft erworben werden, die unter N. GmbH (im Folgenden: N.) firmieren und an der der Beklagte im Umfang von ca. 5 % der Gesellschaftsanteile beteiligt werden sollte. Außerdem verfolgte die Klägerin das Ziel, dem Beklagten die Stellung eines Geschäftsführers der AS. zu übertragen. Zu diesem Zweck fanden ab Juni 2005 Vertragsverhandlungen statt, an denen für die Klägerin u.a. deren Verwaltungsrat L ... und der von ihr für die Beratung und für die Vertretung beim vorgesehenen Erwerb beauftragte ... B. sowie der Beklagte teilnahmen. Hierbei wurden insb. ein ausführlicher Businessplan und Einzelheiten eines Geschäftsführervertrages vorbesprochen. Am 14.6.2005 erstellten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin einen Bericht über die rechtlichen und steuerlichen Verhältnisse der AS. (due diligence-Bericht, Anlage K 2). Parallel dazu verhandelten die Repräsentanten der Klägerin mit dem Beklagten.
Am 4.7.2005 gab die Baden-Württembergische Bank ggü. der Klägerin ein Angebot zur Finanzierung der zu erwerbenden Anteile ab (Anlage K 10). Der Beklagte erarbeitete im Oktober 2005 einen Businessplan für die Jahre 2006 bis 2010 über die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten der AS. (Anlage K 11). Nach weiteren Vertragsverhandlungen am 20.10.2005 unter Beteiligung des Beklagten übersandte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 28.10.2005 den Entwurf eines Geschäftsführeranstellungsvertrages zwischen der AS. und dem Beklagten (Anlage K 7), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
Am 2.11.2005 fanden erneut Verhandlungen in Form eines eintägigen Workshops mit dem Beklagten statt, in dem neben dem Geschäftsführeranstellungsvertrag insb. das Finanzierungskonzept der Klägerin besprochen wurden. Die Klägerin übermittelte dem Beklagten am 3.11.2005 Entwürfe eines Gründungsvertrages über die Errichtung der N. (zwischen den Herren L., Le. und dem Beklagten) nebst Satzung sowie eines Optionsvertrages betreffend die Weiterveräußerung der vom Beklagten zu erwerbenden Geschäftsanteile an der N. an die Mitgesellschafter und eines Kaufvertrages zwischen der N. und den Gesellschaftern der AS. (vgl. dazu Anlagen K 4 - K 9).
Der Beklagte brach die Verhandlungen am 7.11.2005 ab, indem er per E-Mail ggü. der Klägerin mitteilte, weder als Gesellschafter der N. noch als Geschäftsführer der zu ü...