Leitsatz (amtlich)
1. § 1586 Abs. 1, 1. oder 2. Alt., BGB findet keine entsprechende Anwendung auf den Fall, dass ein nach § 1615 lit. l BGB unterhaltsberechtigter Elternteil nach Entstehen dieses Unterhaltsanspruches eine Ehe oder Lebenspartnerschaft eingeht.
2. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines nach § 1615 lit. l BGB Unterhaltspflichtigen ist der (vorrangige) Kindesunterhalt für das gemeinsame Kind nur mit dem Zahlbetrag vom verfügbaren Einkommen abzuziehen, soweit der Mindestbedarf des Unterhaltsberechtigten in Frage steht.
Normenkette
BGB § 1586 Abs. 1 S. 1 und 2, § 1615; GG Art. 6
Verfahrensgang
AG Geislingen (Aktenzeichen 1 F 515/01 (UK) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des AG – FamG – Geislingen vom 28.12.2001 wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Ziff. 2
a) rückständigen Unterhalt für die Zeit vom 24.7.2000 bis 30.6.2002 von 2.830 EUR nebst 4 % Zinsen aus 3.475 EUR für die Zeit vom 2.9. bis 26.10.2001 und aus 1.783 EUR seit 27.10.2001, fällig sofort, und
b) laufenden Unterhalt für die Zeit vom 1.7.2002 bis 4.9.2003 von monatlich 115 EUR, fällig monatlich im Voraus, zu bezahlen.
Die weiter gehende Klage der Klägerin Ziff. 2 wird abgewiesen.
2. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird zugelassen.
Berufungsstreitwert: 6.982 EUR
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug nur noch um Betreuungsunterhalt für die Klägerin Ziff. 2 gem. § 1615 lit. l BGB, nachdem die Klage auf Kindesunterhalt für die Klägerin Ziff. 1 noch vor dem FamG übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist. Das FamG hat der jetzt 19-jährigen Klägerin Ziff. 2 (im Folgenden nur: Klägerin) rückständigen Unterhalt für die Zeit vom 24.7.2000 (sechs Wochen vor Geburt der Klägerin Ziff. 1) bis 31.12.2001 von insgesamt 7.040 DM und ab 1.1.2002 bis 4.9.2003 (Vollendung des dritten Lebensjahrs des Kindes) laufenden Unterhalt von monatlich 735 DM zugesprochen. Der Beklagte beantragt Klagabweisung. Die Klägerin anerkennt den Berufungsantrag insoweit, als eine Herabsetzung des ihr zugesprochenen Unterhalts für die Zeit vom 29.5.2002 bis 4.9.2003 auf monatlich 187,50 EUR verlangt wird, und beantragt i.Ü., die Berufung zurückzuweisen.
Zum Streitstand in erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils (die sich teils auch in den Entscheidungsgründen finden) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die im Berufungsverfahren getroffenen Feststellungen führen zu folgenden Änderungen und Ergänzungen im Tatsächlichen:
a) Die Überprüfung der Einkommensbelege des Beklagten ergibt, dass sein Einwand zutrifft, dass sein Nettoeinkommen sowohl vor als auch nach Reduzierung seiner Schichttätigkeit sich auf monatsdurchschnittlich 3.239 DM belaufen hat. Er wohnt in G., seine Arbeitsstelle liegt im 12 bis 15 km entfernten E., so dass er berufsbedingte Aufwendungen zumindest in Form von Fahrtkosten zur Arbeit hat. Er fährt mit dem eigenen Pkw zur Arbeit. Würde er mit der Bahn fahren, müsste er für die Monatskarte monatlich 114 DM aufbringen.
b) Im vorausgegangenen Kindschaftsprozess zwischen den Parteien sind dem Beklagten, der als Vater der Klägerin Ziff. 1 festgestellt wurde, die Verfahrenskosten auferlegt worden. Die Landesoberkasse hat dem Beklagten eine Kostenrechnung über rund 6.330 DM übersandt. Hiervon entfallen rund 969 DM auf die nach § 130 BRAGO auf die Landeskasse übergegangenen Ansprüche auf Vergütung des Rechtsanwalts der Klägerin, bei den übrigen Kosten handelt es sich um Gerichtsgebühren und Sachverständigenentschädigung. Der Beklagte zahlt die Kostenschuld seit November 2001 mit monatlich 150 DM ab.
c) Um seine gesetzliche Wehrpflicht in der Türkei abzukürzen (auf einen Monat statt sonst obligatorischer rund zwei Jahre), hat sich der Beklagte „freigekauft”. Eine erste Zahlung von 2.500 DM ist im Dezember 2001 erfolgt, weitere Zahlungen von insgesamt noch 7.500 DM stehen noch aus. Die Zahlung im Dezember 2001 haben die Eltern des Beklagten für ihn geleistet. Der Beklagte stellt dies so dar, dass eine Rückzahlung an die Eltern mit 200 DM monatlich vereinbart sei, die Eltern jedoch die bisher geschuldeten Darlehensraten schenkweise erlassen hätten.
d) Die Klägerin lebt seit Anfang 2002 mit ihrem neuen Ehemann, Herrn A., zusammen, den sie am 11.1.2002 geheiratet und dem sie am 28.5.2002 ein Kind K. geboren hat. Sie ist weiterhin ohne Erwerbseinkommen. Herr A. ist ebenfalls 19 Jahre alt und erst seit 14.1.2002 erwerbstätig. Er erzielt aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit ein Nettoeinkommen von 1.312 EUR monatlich und ist mit Schulden für die Anschaffung eines Pkw belastet, auf die er monatlich 126 EUR abbezahlt. Ob er künftig Sonderzuwendungen (Urlaubs- oder Weihnachtsgeld) erhält, war bei Schluss der mündlichen Verhandlung nicht bek...