Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbs- und Markenrechtsverstoß. Dringlichkeitsvermutung im Eilverfahren und deren Widerlegung. Täuschung über die geografische Produktherkunft bei irreführender Aufmachung einer Frischmilch-Verpackung. Beseitigung der Irreführungsgefahr durch entlokalisierten Zusatz
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 27.08.2012) |
Tenor
I.1. Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil der Vorsitzenden der 41. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 27.8.2012 geändert.
2. a) Der Verfügungsbeklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, untersagt, im geschäftlichen Verkehr für Frischmilch, die in K. abgefüllt wurde, zu werben mit der Angabe
"MARK B",
wenn dies geschieht wie auf Seite 3 und 4 des Verfügungsantrages abgebildet wiedergegeben (und als Kopie der dortigen Vorlage zum Bestandteil des Urteils gemacht).
b) Im Übrigen wird die Berufung unter gleichzeitiger Zurückweisung des weiter gehenden Verfügungsantrages zurückgewiesen.
3. Der Verfügungsbeklagten wird eine Aufbrauchfrist eingeräumt bis 31.12.2013.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Verfügungskläger 1/3, die Verfügungsbeklagte 2/3.
Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 100.000 EUR
und/oder
wie nachstehend wiedergegeben:
II. Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
III. Der Wert des Streitgegenstandes beträgt 50.000 EUR.
Gründe
I. Die Berufung der Verfügungsklägerin ist zulässig, ist hat der Sache nach in Teilen Erfolg.
Zum einen wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO; ferner § 313a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 542 Abs. 2 ZPO).
Kurz zusammenfassend:
Der Verfügungskläger [im Folgenden kurz: Kläger] wendet sich gem. § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB und § 5 UWG gegen die Aufmachung von Milchtüten der Verfügungsbeklagten [im Folgenden kurz: Beklagten], da mit "MARK B." der falsche Eindruck erweckt werde, die Milch werde dort auch abgefüllt; die Abmahnung rügte noch, dass die Milch überwiegend nicht aus B. stamme.
Solches war in Bezug auf dieses seit 2007 unbeanstandet vertriebene Produkt der Fall. Nun aber kommt die Milch aus verschiedenen Regionen Deutschlands, "teilweise aus B." (Beklagte Bl. 20), und wird in K. abgefüllt.
Der Kläger sieht durch den unter das auch Wort-/Bild-Zeichen, das seit 2001 als Marke eingetragen ist (AG 1e) für die Warenklasse 29 (Milch und Milchprodukte), gesetzten Hinweis
MILCH VON DEUTSCHEN BAUERNHÖFEN ABGEFÜLLT IN K.
keine die von dem Markeneinsatz ausgehende Irreführung aufhebende Aufklärung, zumal auch das Wort-/Bild-Zeichen in seinem blickfangmäßigen Einsatz unwahr sei und dieser Vermerk am Blickfang nicht teilhabe.
Die Beklagte erhob etliche, nachfolgend abzuhandelnden Einwendungen.
Das LG wies den Verfügungsantrag zurück, da die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG widerlegt sei. Der Kläger habe sich rechtsmissbräuchlich der Kenntnisnahme des Verstoßes verschlossen. Es gehe auf Seiten des Klägers "um die Entscheidung, einen ganz offensichtlichen Zustand gerade zu einem bestimmten opportun erscheinenden Zeitpunkt (wieder) aufzugreifen, zu welchem er nämlich hier gerade von einem Politiker bewertet wird" (US 8). Doch auch ein Verfügungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. "Der Hinweis ... springt zugleich mit der Angabe 'Mark B.' ins Auge" (US 10). "Daher braucht der klarstellende und zugleich slapstickartige werbende Hinweis nicht noch vergrößert zu werden um jegliche Verwirrung auszuschließen, sondern reicht in der bisherigen Größe und Aufmachung noch aus" (US 11).
Dagegen wendet sich die Berufung des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil des LG Stuttgart abzuändern und die einstweilige Verfügung so wie mit der Antragsschrift vom 22.5.2012 nach Maßgabe des dortigen Haupt- oder Hilfsantrages im Urteilswege zu erlassen.
Die Beklagte beantragt: Die Berufung wird zurückgewiesen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig.
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie die Verhandlungsniederschriften verwiesen (§ 313 Abs. 2 S. 2 ZPO).
1. Die Rüge der Unzuständigkeit des Gerichts der erstinstanzlichen Entscheidung (wieder Bl. 160), ist schon deshalb ohne Belang, da die Unzuständigkeit nach § 140 Abs. 1, Abs. 2 MarkenG mit der Berufung nicht mehr geltend gemacht werden kann (§ 513 Abs. 2 ZPO; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. [2010], § 140, 39; Fezer, MarkenR, 4. Aufl. [2009], § 140 MarkenG, 11).
2 .a) Soweit die Beklagte die Klagebefugnis des Klägers in Frage stellt, wird damit die von Amts wegen zu beachtende (BGH GRUR 2007, 610 [Tz. 14] - Sammelmitgliedschaft V) - auch - Prozessführungsbefugnis (vgl. Büscher in Fezer, UWG, 2. Aufl. [2010], § 8, 243 und 245) berührt. Spricht nicht ohnehin eine Vermutung zugunsten des Klägers (vgl. allg. Köhle...