Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Schädiger gem. § 435 HGB mit qualifiziertem Verschulden gehandelt, ist der Geschädigte nicht auf die §§ 249 ff. BGB beschränkt, sondern kann auch Wertersatz gem. § 429 HGB verlangen.
2. Von dem in der Rechnung ausgewiesenen Kaufpreis sind die Beförderungskosten auch dann gem. § 429 Abs. 3 S. 2 HGB abzuziehen, wenn diese im Verkaufspreis miteinkalkuliert sind und die Höhe des Verkaufspreises nicht davon abhängt, ob sich der Käufer die Ware anliefern lässt.
Beteiligte
RAe Dr. Rommelspacher u. Koll. |
Fa. GEL Express Logistik Hierl & Müller GbR, bestehend aus den Gesellschaftern Eberhard Hierl u. Jürgen Müller |
Fa. Domicil Einrichtungshaus GmbH |
Fa. Domicil Einrichtungshaus GmbH |
GF'in Helga Birgitta Jaeggle |
Verfahrensgang
LG Ravensburg (Aktenzeichen 6 O 1542/2000) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten, eingelegt von der Streithelferin, wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 28.12.2000 abgeändert.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 15.133,00 DM nebst 8 % Zinsen hieraus seit dem 03.04.2000 zu bezahlen.
- Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Streithelferin trägt die Kosten der Berufung.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: |
15.433,– DM. |
Beschwer der Parteien und der Streithelferin: |
bis 60.000,– DM. |
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Gründe
Die Berufung hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.
1. Die Beklagte haftet für den streitgegenständlichen Schaden gemäß § 425 Abs. 1 BGB. Die Möbel der Klägerin sind auf dem Transport von Weingarten nach Burgkirchen und damit in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung beschädigt worden. Ob die Beklagte Unterfrachtführer beauftragt hat, ist gemäß § 428 HGB unerheblich (vgl. Koller, Transportrecht, 4. Aufl., § 425 HGB Rn. 17).
2. Die Kammer hat der Klägerin Wertersatz gemäß § 429 Abs. 1 HGB zugesprochen. Hiergegen sind im Ergebnis keine Einwendungen zu erheben.
a) Dahingestellt bleiben kann, ob im Falle eines Totalschadens Ersatz gemäß § 429 Abs. 1 oder 2 HGB zu leisten ist (vgl. Fremuth/Thume, Kommentar zum Transportrecht, § 425 HGB Rn. 11). Beide Regelungen führen im vorliegenden Fall zum selben Ergebnis.
b) Die Kammer ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte den Schaden gemäß § 435 HGB mit qualifiziertem Verschulden herbeigeführt hat. Dies führt im Grundsatz zur Anwendung der §§ 249 ff. BGB.
aa) Die Klägerin hat plausible Anhaltspunkte für ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten vorgetragen (vgl. OLG Stuttgart OLGR 2000, 176 für Art. 23, 29 CMR). Die Beklagte hätte sich deshalb entlasten und substantiiert die Umstände darlegen müssen, die nach ihrer Kenntnis zum Schaden geführt haben (vgl. Koller § 435 Rn. 21 m.w.N.). Ob der Schaden durch einen Unterfrachtführer verursacht wurde, ist ohne Bedeutung. Die Beklagte hätte versuchen müssen, den Schadenshergang bei dem Unterfrachtführer in Erfahrung zu bringen, was offensichtlich nicht erfolgt ist.
bb) Die Haftung gemäß § 435 HGB führt zum Wegfall der in § 429 HGB enthaltenen Haftungsbeschränkungen, so dass die Schadenshöhe gemäß §§ 249 ff. BGB zu bestimmen ist (vgl. Koller § 435 HGB Rn. 19).
c) Die Anwendung der §§ 249 ff. BGB würde sich im vorliegenden Fall zum Nachteil der Klägerin auswirken.
aa) Nach herrschender Meinung muss im Rahmen der Schadensberechnung nach §§ 249 ff. BGB die Möglichkeit eines Deckungskaufs berücksichtigt werden, so dass der Schaden in der Differenz zwischen dem vereinbarten Einkaufspreis und dem Preis des Deckungskaufs besteht (vgl. Staudinger/Schiemann, BGB, 13. Aufl., § 252 BGB Rn. 23; MüKo/Grunsky, BGB, 3. Aufl., § 252 BGB Rn. 13; Soergel/Mertens, BGB, 12. Aufl., § 252 BGB Rn. 16; Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 325 BGB Rn. 17). Dies gilt jedenfalls dann, wenn ein Deckungskauf geboten und zumutbar gewesen wäre (vgl. BGH NJW 1989, 290; NJW-RR 1990, 432, 434), was vorliegend ohne weiteres zu bejahen ist.
bb) Demgegenüber ist bei § 429 HGB die Möglichkeit eines Deckungskaufs nicht zu berücksichtigen. Zwar findet § 254 BGB auch im Bereich des Transportrechts Anwendung. Bei § 429 HGB bestimmt aber der Wert des Guts als abstrakter Schaden die Untergrenze des ersetzbaren Schadens, so dass es nicht darauf ankommt, ob der konkrete Schaden des Geschädigten niedriger ist. Damit scheidet die Berücksichtigung eines möglichen Deckungskaufs aus (vgl. Koller § 429 HGB Rn. 18; Fremuth/Thume § 429 HGB Rn. 16).
d) Der in § 435 HGB angeordnete Wegfall der Haftungsbegrenzungen und -befreiungen soll die Position des Geschädigten verbessern. Hiermit wäre es nicht in Einklang zu bringen, wenn der Geschädigte gezwungen wäre, seinen Schaden auch dann nach §§ 249 ff. BGB zu berechnen, wenn § 429 HGB zu einem vorteilhafteren Ergebnis führen würde. Der Senat ist deshalb der Auffassung, dass dem Geschädigten auch bei qualifiziertem Verschulden des S...