Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 19.07.2019; Aktenzeichen 22 O 241/18) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 19.07.2019, Az. 22 O 241/18, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert Berufungsverfahren: bis 30.000 EUR
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatz wegen des Erwerbs eines vom sog. "Abgasskandal" betroffenen Fahrzeugs geltend.
Das streitgegenständliche Fahrzeug des Typs yy ..., das die Beklagte hergestellt hat, wurde am 30. September 2014 erstmals für den Straßenverkehr zugelassen. In das Fahrzeug hat die Beklagte einen Motor des Entwicklungstyps EA 189 verbaut, in welchem eine Softwareprogrammierung zur Abgasreduzierung im Prüfstandlauf implementiert ist.
Mit Bescheid vom 14. bzw. 15. Oktober 2015 verpflichtete das Kraftfahrtbundesamt die Beklagte, bei allen betroffenen Fahrzeugen mit einem Motor des Typs EA 189 die nach Auffassung der Behörde als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizierende Softwareprogrammierung zu entfernen und den Nachweis zu führen, dass nach deren Entfernen alle technischen Anforderungen der gesetzlichen Vorschriften erfüllt werden.
Am 25. Februar 2016 erwarb der Kläger bei einem Vertragshändler der Beklagten das streitgegenständliche Fahrzeug als Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von 11.377 km zu einem Kaufpreis von 29.500 EUR. Zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung wies das Fahrzeug einen km-Stand von 50.349 km auf.
Mit Bescheid vom 1. Juni 2016 gab das Kraftfahrtbundesamt die von der Beklagten für Fahrzeugtypen mit der streitgegenständlichen Motorisierung (Cluster 6) entwickelte technische Maßnahme, bestehend aus einem Software-Update, frei und bestätigte, dass die damit verbundene Änderung der Applikationsdaten geeignet sei, die Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge herzustellen (Anlage B5).
Das Software-Update wurde im Juli 2016 aufgespielt.
Mit Schreiben seines Anwalts vom 15. Oktober 2018 (Anlage K 3) forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung zur Zahlung von 27.093,55 EUR Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs sowie zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten auf. Hierauf reagierte die Beklagte nicht.
Zu den Umständen des Kaufs trug der Kläger schon in 1. Instanz unter Angebot einer Parteivernehmung vor, dass er zwar aus den Nachrichten von einem Dieselskandal um die Beklagte gewusst habe, ihm gleichwohl die Betroffenheit des konkreten Fahrzeugs unbekannt geblieben sei und er insbesondere weder von der Beklagten noch vom Verkäufer des Wagens hierzu einen Hinweis erhalten habe. Erst nach der Veröffentlichung von Urteilen des BVerwG zu Fahrverboten habe er geprüft, ob auch sein Fahrzeug betroffen sei (GA 151).
Das Landgericht hat der Klage unter Anrechnung von Nutzungsvorteilen des Klägers im Umfang von 25.329,35 EUR nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit stattgegeben. Dem Kläger stehe ein Anspruch aus sittenwidriger Schädigung gegen die Beklagte zu. Die Beklagte habe das streitgegenständliche Fahrzeug unter Einsatz einer illegalen Abschalteinrichtung, welche für das Fahrzeug die Gefahr des Widerrufs der Zulassung begründet habe, in den Verkehr gebracht, um sich insbesondere Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Der Umstand, dass der Kläger das Fahrzeug erst nach dem öffentlichen Bekanntwerden des sog. "Abgasskandals" erworben habe, stehe dem nicht entgegen. Denn selbst die Kenntnis vom Gesamtsachverhalt als solchem bedeute nicht, dass der Käufer Kenntnis von der Betroffenheit des konkreten Fahrzeugs habe. Schon gar nicht kenne ein Käufer - hier der Kläger - die genaue Motorbezeichnung, was auch die Beklagte nicht vortrage. Im Übrigen spreche die allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass niemand unnötig das Risiko der Stilllegung des Fahrzeugs eingehe, wenn ihm auf dem Markt vergleichbare Produkte ohne entsprechende Risiken angeboten werden.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags. Sie ist insbesondere der Auffassung, dass ein Anspruch des Klägers scheitere, weil der Einsatz der Softwareprogrammierung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses öffentlich bekannt gewesen sei. Sie habe die Öffentlichkeit, die betroffenen Halter und die Vertragspartner sowie Servicepartner seit dem 22. September 2015 ausführlich und umfassend informiert, wonach alle Konzernfahrzeuge mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 von der beanstandeten Software betroffen seien. So habe sie auch seit Anfang Oktober 2015 eine Internet-Plattform zur Abfrage der Betroffenheit des konkreten Fahrzeugs unter Eingabe der FIN für "jedermann" zur Verfügung gestellt. Die Vertriebspartner habe die Beklagte laufend über e...