Leitsatz (amtlich)
1. Der Widerruf des Beitritts zu einer Publikumsgesellschaft nach den Vorschriften über die Haustürgeschäfte ist auch noch während der Liquidation der Gesellschaft möglich und führt zum Ausscheiden des Anlegers mit Zugang der Widerrufserklärung.
2. Der widerrufende Gesellschafter schuldet lediglich die bis zu diesem Zeitpunkt fällig gewordenen Einlageforderungen.
Ein nach § 38 Abs. 2 KWG bestellter Abwickler einer Publikumsgesellschaft ist im Zweifel auch dann zur Geltendmachung rückständiger Einlagen berechtigt, wenn nicht feststeht, dass die Einlagen für die Liquidation der Gesellschaft benötigt werden, sondern deren Einziehung möglicherweise nur den Gesamtausgleich unter den Gesellschaftern vorbereitet.
Normenkette
BGB a.F. § 312; BGB § 355; HGB § 149; KWG § 38
Verfahrensgang
LG Hechingen (Urteil vom 17.12.2014; Aktenzeichen 1 O 102/14) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Hechingen vom 17.12.2014, Az. 1 O 102/14, abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 23.000,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.000,- Euro seit dem 16.05.2012, aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.06.2012, aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.07.2012, aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.08.2012, aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.09.2012, aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.10.2012, aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.11.2012, aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.12.2012, aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.01.2013, aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.02.2013, aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.03.2013, aus weiteren 1.000 Euro seit dem 16.04.2013, aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.05.2013, aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.06.2013, aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.07.2013, aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.08.2013, aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.09.2013, aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.10.2013, aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.11.2013, aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.12.2013, aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.01.2014, aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.02.2014 sowie aus weiteren 1.000,- Euro seit dem 16.03.2014 auf die Beteiligung mit der Vertragsnummer xxx zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin 55 % und der Beklagte 45 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aus dem Urteil für die vollstreckende Partei insgesamt vollstreckbaren Betrages abzuwenden, es sei denn die vollstreckende Partei leistet vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
Die Klägerin ist eine GmbH u. Co. KG in Liquidation und verlangt vom Beklagten die Bezahlung rückständiger Einlagen sowie die Zahlung zukünftiger Einlagen. Hilfsweise beantragt sie die Feststellung, dass der entsprechende Betrag in eine Abfindungsrechnung einzustellen sei.
Der Beklagte beteiligte sich unter dem 01.04.2009/30.04.2009 an der Klägerin, einer Publikums-Kommanditgesellschaft, als Treugeber-Kommanditist.
Die Beteiligungssumme von 120.000,- Euro zuzüglich eines Agios von 6 %, insgesamt also 127.200,- Euro, leistete der Beklagte in Höhe einer Kontoeröffnungszahlung von 37.200,- Euro sowie ab 15.04.2009 in monatlichen Teilzahlungen von 1.000,- Euro (K 3). Die Klägerin befindet sich durch eine Verfügung der BaFin vom 06.10.2011 in Liquidation. Der Beklagte hat seit Mai 2012 seine Zahlungen auf die Beteiligung eingestellt.
Der Gesellschaftsvertrag (K 5) der Klägerin regelt:
"§ 5 Beteiligung, Abschlussgebühr (Agio) ...
(4) Die Erbringung von Einlagen kann auch in Einzelbeträgen erfolgen. Dazu ist eine gesonderte Teilzahlungsvereinbarung erforderlich ... Wird eine Teilzahlungsvereinbarung getroffen, so hat der betreffende Kommanditist eine erste Teilzahlung von mindestens 25 % (Fünfundzwanzig v.H.) des Zeichnungsbetrages zu erbringen. Das Agio in Höhe von 6 % (Sechs v.H.) aus der gesamten Zeichnungssumme ist zusammen mit der ersten Mindestteilzahlung zu erbringen. Die erste Mindestzeilzahlungssumme erhöht nicht die Beitragssumme, sonderen reduziert die Laufzeit der Teilzahlungsvereinbarung. Der Kommanditist ist berechtigt, jederzeit Zuzahlungen zu leisten, um damit die Laufzeit der Teilzahlungsvereinbarung zu verkürzen. Ab dem Zeitpunkt der voll geleisteten Einlage besteht die Möglichkeit der jährlichen Entnahmen. Während der Laufzeit der Teilzahlungsvereinbarung sind Entnahmen nicht zulässig. Noch nicht erbrachte Teilzahlungsbeträge werden als ausstehende Einlagen behandelt und verbucht.
...
§ 11 Gewinn- und Verlustbeteiligung, Vorabgewinn
...
(2) Der Kommanditist ist an dem unter Berücksichtigung des vorstehenden Absatzes...