Leitsatz (amtlich)
1. Eine Bank als Anlageberaterin hat ihren Kunden gegenüber auch außerhalb des Bereiches des WpHG, also insb. bei Beratung über geschlossene Fonds, mitzuteilen, dass und in welcher Höhe sie von Dritten für den Absatz des empfohlenen Produktes Vergütungen (Rückvergütungen, Kick back) erhält (wie BGH Beschl. v. 20.1.2009 - XI ZR 510/07).
2. Kam die Bank dieser Pflicht nicht nach, so handelte sie jedenfalls im Jahr 2003 fahrlässig (wie OLG Karlsruhe Urt. v. 3.3.2009 - 17 U 371/08; Abgrenzung zu OLG Dresden Urt. v. 24.7.2009 - 8 U 1240/08 sowie OLG Oldenburg Urt. v. 11.9.2009 - 11 U 75/08).
3. Es besteht eine tatsächliche Vermutung, dass der Kunde bei Mitteilung einer Rückvergütung von über 8 % der Beteiligungssumme von der Anlageentscheidung Abstand genommen hätte (wie BGH, Urt. v. 12.5.2009 - XI ZR 586/07) und zwar auch dann, wenn im Prospekt offen gelegt ist, dass für den Vertrieb 13,9 % der Beteiligungssumme ausgegeben werden sollen.
4. Zu den Möglichkeiten der Anlageberatungsgesellschaft, die tatsächliche Vermutung durch Zeugenbeweis zu entkräften/widerlegen, wenn dazu derjenige Mitarbeiter als Zeuge benannt wird, der den Kunden gerade nicht über die Vergütung von dritter Seite aufgeklärt hatte.
Normenkette
BGB §§ 276, 280, 654; WpHG § 31d; GG Art. 2
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 08.05.2009; Aktenzeichen 8 O 413/08) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteils des LG Stuttgart vom 8.5.2009 (8 O 413/08) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass
1. die Verurteilung der Beklagten in Ziff. 1 des Tenors zur Zahlung von Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem Betrag von 26.250 EUR auf den Zeitraum vom 22.8.2008 bis 9.1.2009 und ab 15.9.2009 beschränkt ist und im Zeitraum vom 10.1. bis 14.9.2009 lediglich Zinsen i.H.v. 2 % geschuldet sind,
2. die Verurteilung der Beklagten in Ziff. 1 und 3 des Tenors Zug um Zug gegen Übertragung der wirtschaftlichen Beteiligung des Gxxx Kxxx an dem von ihm am 29.9.2003 gezeichneten, treuhänderisch gehaltenen Gesellschaftsanteil an der Fxxx Medienfonds xxx im Nennwert von 25.000 EUR (Anteilsnummer xxx) an die Beklagte erfolgt.
II. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird in Abänderung der Ziff. 2 des Tenors des Urteils des LG Stuttgart vom 8.5.2009 (8 O 413/08) festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung der wirtschaftlichen Beteiligung des Gxxx Kxxx an dem von ihm am 29.9.2003 gezeichneten, treuhänderisch gehaltenen Gesellschaftsanteil an der Fxxx Medienfonds xxx im Nennwert von 25.000 EUR (Anteilsnummer xxx) in Verzug befindet.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 30.000 EUR.
Gründe
A.I. Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte u.a. deswegen geltend, weil diese im Rahmen eines angeblichen Anlageberatungsvertrags dem Zedenten nicht mitgeteilt hat, dass sie für den Vertrieb des von ihr ihm gegenüber angepriesenen Medienfonds eine Provision von mehr als 8 % des Zeichnungsbetrags von der mit dem Vertrieb beauftragten Gesellschaft erhalten hat.
Der Zedent, ein Rechtsanwalt und Notar, hatte mit dem Zweigniederlassungsleiter J. K. der Beklagten über einen gemeinsamen Kunden seit Ende der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts Kontakt. Erstmals am 17.7.2003 bot J.m K. dem Zedenten eine Beteiligung an der F. Medienfonds ... (im weiteren: Medienfonds V.) an und übergab ihm hierzu einen Prospekt. In diesem (Anlage K 3) ist ausgewiesen, dass für "Eigenkapitalvermittlung und Anlagebetreuung" eine "V. AG" zuständig ist, die Rechte und Pflichten aus der Vertriebsvereinbarung auf Dritte übertragen durfte. Auf S. 40 des Prospekts ist im Rahmen der Mittelverwendung aufgeführt, dass für die Eigenkapitalvermittlung 8,9 % der Zeichnungssumme anfallen, die die V. AG erhalte, der zusätzlich auch das Agio von 5 % zustehe. Die Beklagte erhielt von diesen 13,9 % mehr als 8 %. Außerdem geht der Prospekt (S. 42) davon aus, dass im Zeichnungsjahr eine Verlustzuweisung von 104,5 % der Zeichnungssumme erfolge. Zum "Sicherheitskonzept" des Fonds gehört, dass die D. Bank AG, zwischenzeitlich eine Tochter der Beklagten, eine Schuldübernahme für Schlusszahlungen an den Fonds i.H.v. 100 % des Kommanditkapitals (ohne Agio) zum planmäßigen Enddatum des Fonds am 31.12.2011 erklärte. Beim Termin vom 17.7.2003 oder später sprach J. K. steuerliche Vorteile des Fonds und die Absicherung durch die D. Bank an. Bei einem Treffen zwischen dem Zedenten und J. K. am 26.9.2003 wurde ein WpHG-Bogen (Anlage K 1) ausgefüllt, in dem sich der Zedent als "konservativ orientiert" einschätzte, als Anlageziel Vermögens...