Leitsatz (amtlich)

Zur Treuwidrigkeit des Widerrufs eines Verbraucherdarlehens, wenn der Verbraucher in Kenntnis seines Widerrufrechts zunächst nicht widerruft und vorbehaltlos weiter die Raten zahlt.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 26.01.2016)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 21. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 26.1.2016 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 26.1.2016 wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Kläger.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: Bis 320.000 Euro

 

Gründe

I. Alle drei Kläger machen Ansprüche im Zusammenhang mit dem Widerruf von Immobiliar-Darlehen geltend, der Kläger zu 1) macht außerdem einen Zahlungsanspruch geltend im Zusammenhang mit einer früheren gerichtlichen Auseinandersetzung mit der beklagten Versicherungsgesellschaft.

Jeweils alle drei Kläger auf der einen, die Beklagte auf der anderen Seite haben im Juli 2008 in einer einheitlichen Darlehensurkunde insgesamt drei Darlehensverträge über 710.760 Euro, 311.740 Euro und 97.000 Euro abgeschlossen (Anlage K1). Den Klägern wurde eine Widerrufsbelehrung erteilt wie folgt:

Nachdem sie die Verträge seither ordnungsgemäß bedient hatten, erklärten die Kläger mit Schreiben vom 7.8.2014 den Widerruf sämtlicher Darlehnsverträge, die Beklagte wies den Widerruf mit Schreiben vom 6.10.2014 zurück.

Die Kläger meinen, ihnen habe ein Widerrufsrecht bezüglich der streitgegenständlichen Darlehensverträge zugestanden, da sie die Verträge als Verbraucher geschlossen hätten. Soweit die Darlehen der Umschuldung früherer Darlehen gedient hätten, mit denen ein Geschäftshaus in Frankfurt mit insgesamt vier Wohn- und vier Gewerbeeinheiten finanziert worden sei, erfordere das keinen Geschäftsbetrieb in einem Umfang, der aus ihrer privaten Vermögensverwaltung gewerbliche Tätigkeit mache.

Die daher erforderliche und ihnen erteilte Widerrufsbelehrung genüge den gesetzlichen Anforderungen jedenfalls mit der Formulierung zum Fristbeginn ("frühestens") nicht. Auf die Schutzwirkung von § 14 BGB-InfoV könne sich die Beklagte nicht berufen, schon weil im Abschnitt "Widerrufsfolgen" der letzte nach der Musterwiderrufsbelehrung erforderliche Satz zur Erfüllung von Zahlungspflichten binnen 30 Tagen fehle. Im Übrigen handle es sich um ein Fernabsatzgeschäft; die daher weiter erforderlichen Belehrungsbestandteile fehlten der Belehrung ganz.

Die Kläger haben vor diesem Hintergrund - in erster Instanz zunächst nur bezüglich des Darlehensvertrages über 97.000 Euro - die Feststellung begehrt, dass sich der Vertrag infolge ihres Widerrufs in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt habe. Sie haben weiter begehrt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, Wertersatz i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf alle ihre Zahlungen zu leisten. Sie haben außerdem die Feststellung verlangt, dass sich die Beklagte mit der Rückabwicklung und der Rücknahme der Darlehensvaluta im Annahmeverzug befinde, sowie Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihnen sämtliche aus dem Verzug entstehende Schäden zu ersetzen. Daneben haben sie Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 3229,90 Euro verlangt.

Demgegenüber hat die Beklagte insbesondere die Verbrauchereigenschaft der Kläger bestritten. Soweit man in der erteilten Widerrufsbelehrung die Einräumung eines vertraglichen Widerrufsrechts sehen wolle, sei die Frist jedenfalls abgelaufen. Im Übrigen komme ihr aber auch der Schutz des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV zugute. Ein Fernabsatzgeschäft liege nicht vor. Ggf. sei ein Widerrufsrecht aber auch verwirkt oder seine Ausübung rechtsmissbräuchlich, u.a. weil Kenntnis vom Widerrufsrecht bereits seit spätestens Juli 2013 bestanden habe.

Der Kläger zu 1) hat außerdem Zahlung weiterer 6854,64 Euro verlangt mit der Begründung, die Beklagte sei zur Zahlung dieses Betrages verpflichtet aus einer Vergleichsvereinbarung, in der sie, die Beklagte, sich im Zusammenhang mit einem wegen eines anderen Darlehensvertrages des Klägers zu 1) in den Jahren 2013/2014 unter dem Aktenzeichen 6 O 404/13 beim LG Stuttgart geführten Rechtsstreit zur vollständigen Kostentragung verpflichtet habe.

Demgegenüber hat die Beklagte insbesondere gemeint, sie habe den vom Kläger zu 1) zuletzt geforderten Betrag gezahlt, weiter gehende Ansprüche bestünden nicht.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf die Schriftsätze und auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des LG Bezug genommen.

Das LG hat der Klage überwiegend stattgegeben.

Den Klägern habe ein Widerrufsrecht zugestanden, da sie den streit...

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