Nachgehend

BGH (Beschluss vom 28.09.2010; Aktenzeichen 3 StR 214/10)

 

Tenor

Es sind schuldig:

Der Angeklagte Ziff. 1

der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland in Tateinheit mit bandenmäßiger Vorbereitung der Fälschung von amtlichen Ausweisen in 3 Fällen,

der Angeklagte Ziff. 2

der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland in Tateinheit mit bandenmäßiger Vorbereitung der Fälschung von amtlichen Ausweisen,

der Angeklagte Ziff. 3

der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland.

Es werden verurteilt:

Der Angeklagte Ziff. 1 zu der Freiheitsstrafe von

5 Jahren,

der Angeklagte Ziff. 2 zu der Freiheitsstrafe von

3 Jahren 6 Monaten,

der Angeklagte Ziff. 3 zu der Freiheitsstrafe von

2 Jahren 11 Monaten.

Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.

Angewandte Vorschriften:

- bei den Angeklagten Ziff. 1 und Ziff. 2:

§§ 129b Abs. 1, 129a Abs. 1 Nr. 1, 275 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 25 Abs. 2, 52 StGB

- bei dem Angeklagten Ziff. 3:

§§ 129b Abs. 1, 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB.

 

Gründe

(bei dem Angeklagten Ziff. 1 abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)

Vorbemerkung

Das vorliegende Verfahren richtet sich gegen drei Führungsfunktionäre der "Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi" ("Revolutionäre Volksbefreiungspartei - Front", im Folgenden: "DHKP-C"), die seit Inkrafttreten des § 129b StGB am 30. August 2002 bis zu ihrer Festnahme im November 2006 (Angeklagte Ziff. 1 und 3) bzw. April 2007 (Angeklagter Ziff. 2) durchgängig Mitglieder der innerhalb der "DHKP-C" bestehenden terroristischen Vereinigung waren. Die "DHKP-C" agiert auch in Europa organisatorisch verfestigt als sog. "Rückfront". Deren Ziel war und ist es, das derzeitige politische System der Türkei zu stürzen und stattdessen eine marxistisch-leninistische Gesellschaftsordnung zu errichten. Diese Zielsetzungen und den zu deren Verwirklichung von der Organisation geführten bewaffneten Kampf in der Türkei, zu dem auch Tötungsverbrechen gehören, billigten und förderten die Angeklagten von Deutschland aus als Regions- und später als Generalverantwortlicher (Angeklagter Ziff. 1), Führungskader mit Sonderaufgaben (Angeklagter Ziff. 2) sowie Gebietsleiter (Angeklagter Ziff. 3) durch vielfältige Aktivitäten innerhalb der "Rückfront" der "DHKP-C".

Verständigung

Zur beschleunigten Beendigung des Verfahrens ist dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen. Bestandteil dieser Verständigung waren (teil-)einräumende Einlassungen der Angeklagten. Der Senat hat Strafobergrenzen angegeben.

A. Feststellungen

I. Die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten

1. Angeklagter Ziff. 1

Der ledige Angeklagte Ziff. 1 wurde am ... in ... / Gemeinde ..., Ortsteil ..., in der ... als Sohn des ... und der ... ... geboren. Er ist ... Staatsangehöriger. Er wuchs bei seinen (zwischenzeitlich verstorbenen) Eltern als drittes von fünf Geschwistern, die alle in der Türkei leben, auf. Sein Vater führte am Wohnort ein Lebensmittelgeschäft.

Er besuchte in ... zunächst die Grund- und Mittelschule, anschließend das Gymnasium ("Lyzeum") bis zum Erwerb der Hochschulreife. Hierauf nahm er im Jahre 1976 ein Forstingenieursstudium an der Universität Istanbul auf. Aufgrund des Studiums wurde er vom Wehrdienst zurückgestellt. Während des Studiums betätigte er sich politisch, wobei er sich in einer Zeit der starken Links-Rechts-Polarisierung in der Türkei in den 70er Jahren, die auch in den Universitäten zutage trat, für sozialistische Ideen einsetzte. Nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 stellte er sich aktiv gegen das nach seiner Überzeugung faschistische Regime der Militärjunta. Als Folge dieser Aktivitäten wurde er mehrfach vorläufig festgenommen, erstmals am Tag des Putsches. Anfang 1981 stand sein Studium kurz vor dem Abschluss, ihm fehlte nur noch die Diplom-Prüfung. Diese konnte er aufgrund seiner ersten längeren Inhaftierung ab Januar 1981 nicht ablegen. Ihm wurde die Zugehörigkeit zur "Devrimci Sol" - der Vorgängerorganisation der "DHKP-C" - vorgeworfen. In der Zeit seiner Inhaftierung, insbesondere im Polizeigewahrsam, in dem er sich zunächst bis März 1981 befand, aber auch während der nachfolgenden Zeit in Haft, wurde er nach seinen Angaben massiv gefoltert. Aus der Haft entlassen wurde er erst im März 1990. Im Jahre 1991 wurde er durch Urteil der 2. Kammer des Ausnahmezustands-Militärgerichts in Istanbul wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation, der "Devrimci Sol", zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren und 4 Monaten verurteilt; das Urteil wurde angefochten und schließlich im Jahre 2003 vom Kassationsgericht in Abwesenheit des Angeklagten bestätigt. Sein Studium durfte er nach seiner Entlassung nicht abschließen, auch kein anderes beginnen. Eine andere Berufsausbildung absolvierte er in der Folgezeit nicht mehr. Nach der Haftentlassung hielt er sich in Istanbul auf und war weiterhin politisch aktiv; er nahm an Versammlungen und Veranstaltungen teil, organisierte 1.-Mai-Treffen und engagierte sich in der Arbeitergewerkschaft. Er lebte von Gelegenh...

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