Entscheidungsstichwort (Thema)

Übereinstimmungsbescheinigung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Haftung des Herstellers bei Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung nach erfolgter Information der Halter durch den Hersteller

 

Normenkette

BGB §§ 823, 826, 831; EG-FGV §§ 6, 27; StGB § 263; EGV Nr. 715/2007 Art. 5

 

Verfahrensgang

LG Rottweil (Urteil vom 04.01.2019; Aktenzeichen 2 O 243/18)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Rottweil vom 04.01.2019, Az. 2 O 243/18, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Rottweil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten wegen des Kaufs eines von der Beklagten hergestellten und vom sog. Abgasskandal betroffenen Gebrauchtfahrzeugs Schadenersatz.

Die Klägerin kaufte (was die Beklagte allerdings bestreitet) mit mündlichem Kaufvertrag am 13.06.2016 von ihrem Vater einen von diesem kurz zuvor erworbenen gebrauchten VW Touran 1.6 TDI (77 kW) mit einer Laufleistung von ca. 78.000 km zum Preis von 15.000 EUR.

Bei dem Fahrzeug ist ein Motor des Typs EA189 verbaut. Für das Fahrzeug war eine Typgenehmigung nach Euro-5 erteilt worden. Bereits vor dem Kauf durch den Vater war auf das Fahrzeug ein vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) genehmigtes Software-Update aufgespielt worden. Hierdurch wurde die sog. Umschaltlogik, die dazu führte, dass die Abgasrückführung nur auf dem Prüfstand aktiviert wurde, entfernt.

Bereits einige Zeit vor dem behaupteten Erwerb durch die Klägerin hatte die Beklagte am 22.09.2015 eine Ad-hoc Mitteilung (§ 15 WpHG) veröffentlicht, worin es hieß:

V. treibt die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Diesel-Motoren mit Hochdruck voran. [...] Auffällig sind Motoren vom Typ EA189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen. [...] auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. V. arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen.

Dies war der Anlass für eine auch in der Folgezeit anhaltende ausführliche und umfangreiche Medienberichterstattung (vgl. GA 258 ff.).

Am 02.10.2015 informierte die Beklagte ihr Händlernetz und wies die Händler an, dass alle Gebrauchtwagenkäufer über das Vorhandensein der "Umschaltlogik" aufzuklären seien (Anlage B 10) und hierüber ein schriftlicher Nachweis zu führen sei (Anlage B 11). Zugleich stellte die Beklagte auf ihrer Homepage ein Tool zur Verfügung, mit dem für jedes Fahrzeug ermittelt werden konnte, ob es von der "Umschaltlogik" betroffen ist. Hierüber informierte die Beklagte mit einer Pressemeldung.

Dreizehn Tage später, nämlich am 15.10.2015 informierte die Beklagte wiederum per Pressemitteilung über den Beschluss des KBA, Rückrufe wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen anzuordnen. Im Februar 2016 schrieb die Beklagte alle betroffenen Halter einzeln an und informierte sie über die anstehende Rückrufaktion und die Umsetzung durch Aufspielen eines Softwareupdates, das die "Umschaltlogik" entfernen sollte. Sobald das jeweilige für den Fahrzeugtyp individuell programmierte Update zur Verfügung stand, setzte die Beklagte die jeweiligen Halter hiervon in Kenntnis und forderte - ggf. mehrfach - dazu auf, das Update aufspielen zu lassen (Anlagen B 13 bis B 15).

Im Übrigen wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ansprüche aus (vor-)vertraglicher Pflichtverletzung bestünden mangels eines Vertrags- oder sonstigen Vertrauensverhältnis zwischen Klägerin und Beklagten nicht. Ein deliktischer Anspruch gemäß § 831 BGB habe ebenfalls auszuscheiden. Denn ein absolutes Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB sei nicht verletzt. Eine Haftung nach §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 263 StGB scheitere jedenfalls am Fehlen einer Täuschung. In Betracht komme allenfalls eine Täuschung durch Unterlassen der Aufklärung über die unzulässige Abschalteinrichtung. Dies setze eine Aufklärungspflicht voraus. Eine solche käme in Betracht, wenn wegen der Abschalteinrichtung eine "Entziehung der Typgenehmigung" und in der Folge ein Erlöschen der Betriebserlaubnis für das klägerische Fahrzeug drohen würde. Das sei aber nicht der Fall. Die Typgenehmigung könne nur bei nachträglichen Änderungen entzogen werden. Zudem habe das KBA die Nachrüstung mit dem Software-Update akzeptiert; hierdurch sei die Abschalteinrichtung beseitigt worden. Eine Aufklärungspflicht folge auch nicht aus Ingerenz. Die verletzte VO (EG) Nr. 715/2007 diene ausschließlich dem Schutz der Umwelt und bezwecke keinen Individualschutz von Vermögensinteressen der Pkw-Käufer. Die Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 826 BGB lägen ebenfalls nicht vor. Ein Verstoß gegen Art. 3 Nr. 10 und Art. 5 Abs. 2 VO (EG)...

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