Leitsatz (amtlich)
1. Die Klage eines Gesellschafters gegen den anderen Mitgesellschafter einer zweigliedrigen BGB-Gesellschaft mit paritätischen Mehrheitsverhältnissen auf Zustimmung zu einer Geschäftsführungsmaßnahme (hier: fristlose Kündigung von umfassenden Verträgen über die Verwaltung von Grundbesitz mit dem Sohn des beklagten Gesellschafters) hat nur Erfolg, wenn es sich um eine notwendige Geschäftsführungsmaßnahme i.S.v. § 744 Abs. 2 BGB handelt oder wenn sich der betroffene Gesellschafter weigert, obwohl der Gesellschaftszweck und das Interesse der Gesellschaft es erfordern und eine Verweigerung der Zustimmung unvertretbar ist, oder wenn die Maßnahme im Interesse der Gesellschaft geboten ist und den Geschäftsführern keinerlei Entscheidungsspielraum zusteht. Die interne Willensbildung der Gesellschafter ist vorrangig ggü. einer Klage, da es nicht Aufgabe des Gerichts ist, an Stelle der Gesellschafter nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden.
2. Die Grundsätze einer Verdachtskündigung setzen im Außenverhältnis zum Verwalter einen dringenden Tatverdacht (hier: Fälschung von Unterschriften unter Nachtragsvereinbarungen) voraus. Maßgeblich ist nicht der Erkenntnisstand des Kündigenden zum Zeitpunkt des Ausspruchs einer fristlosen Kündigung, sondern die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren. Eine Zustimmungspflicht des anderen Gesellschafters im Innenverhältnis besteht nur bei einer hinreichenden Erfolgsaussicht für ein Vorgehen ggü. dem Verwalter, was bei einer offenen Beweislage nicht der Fall ist.
Verfahrensgang
LG Ulm (Urteil vom 13.07.2004; Aktenzeichen 2 O 160/04) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Ulm vom 13.7.2004 (2 O 160/04) abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
I. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Streitwert: bis 290.000 EUR.
Gründe
A. Die Klägerin verlangt von ihren Mitgesellschaftern die Zustimmung zum Widerruf von Vollmachten und zur fristlosen Kündigung von Verwalterverträgen, die der Sohn des Beklagten Ziff. 1 mit zwei Gesellschaften bürgerlichen Rechts abgeschlossen hat, deren Gesellschaftszweck der Erwerb und die Verwaltung von gewerblichen Immobilien ist. Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH der Klägerin ist die Witwe des am 4.1.2000 verstorbenen E.X., der durch notariell beurkundetes Testament vom 9.12.1996 seine Ehefrau zur Miterbin zu 40 %, die Abkömmlinge seines Bruders, des Beklagten Ziff. 1, zu 30 % und die Abkömmlinge einer weiteren Schwester ebenfalls zu 30 % eingesetzt hatte, außerdem wurde die Ehefrau zur Testamentsvollstreckerin bestimmt. Die Familie X. verfügt (mit unterschiedlichen Eigentumsverhältnissen und in unterschiedlicher rechtlicher Ausgestaltung) über einen umfangreichen Grundbesitz an diversen vermieteten Immobilien in verschiedenen Städten in Baden-Württemberg.
1. Die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse stellen sich bezüglich der beiden im Streit befindlichen Gesellschaften bürgerlichen Rechts wie folgt dar:
In dem Gesellschaftsvertrag der "X. GbR" vom 29.12.1988 (Anlage K 3, Bl. 15/24 d.A. OLG Stuttgart - 14 U 63/04) betreffend das Objekt A.-S.-Str. in G. (im Folgenden: GbR S.-Str. G.) ist eine Beteiligung der Brüder H. und E.X. von jeweils 50 % und nach § 8 des Gesellschaftsvertrages eine Einzelvertretungsberechtigung unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB vorgesehen; Handlungen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, bedürfen der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Für eine Änderung des Gesellschaftsvertrages ist eine Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen erforderlich (§ 9 Nr. 2a), die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn ¾ des stimmberechtigten Kapitals vertreten sind, im Falle der Beschlussunfähigkeit kann eine neue Versammlung mit der gleichen Tagesordnung einberufen werden, die als beschlussfähig gilt, wenn hierauf in der Einladung hingewiesen wurde (§ 9 Nr. 5).
Aufgrund des notariell beurkundeten Vertrags vom 18.12.1992 (Anlage B 1) haben E. und H.X. bzgl. des Grundbesitzes A.-str./S.-str. in E. und F.-Str. in B. vereinbart, dass nach Einstellung des Handelsgewerbes der X. GmbH & Co KG, die einen Elektrogroßhandel betrieben hatte, die Vermietung der Betriebsgrundstücke in Form der "X. Verwaltungs-GbR E./B." (im Folgenden: GbR E./B.) mit jeweils 50 %-iger Beteiligung der beiden Brüder erfolgen soll; bis zu einer Einigung über die Neufassung des Gesellschaftsvertrags der GbR sollte der bisherige KG-Gesellschaftsvertrag weiter gelten mit der Maßgabe, dass nunmehr eine Gesamtgeschäftsführungs- und -vertretungsbefugnis aller Gesellschafter vorgesehen ist.
E.X. gründete am 16.3.1...