Leitsatz (amtlich)

§ 2 Abs. 1 S. 4 HWiG ist bei verbundenen Geschäften dahingehend auszulegen, dass für die beiderseits vollständige Erbingung der Leistungen lediglich auf die Leistungen in dem Vertrag abzustellen ist, der widerrufen werden soll, nicht dagegen auch auf die Leistungen in dem verbundenen anderen Vertrag.

 

Normenkette

EGBGB Art. 229 §§ 5, 9; BGB § 276; HWiG § 2 Abs. 1 S. 4; VerbrKrG §§ 7, 9; EWG Richtlinie 85/577

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 05.09.2006; Aktenzeichen 8 O 407/05)

 

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 5.9.2006 - 8 O 407/05 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 50.355 EUR.

 

Gründe

I. Die Kläger hatten bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der V., zur Finanzierung ihrer Beteiligung an einem Immobilienfonds im Dezember 1988 ein Darlehen aufgenommen, welches sie im Januar 1999 vollständig ablösten. Sie verlangen von der Beklagten aufgrund Widerrufs nach dem Haustürwiderrufsgesetz (HausTWG) sowie als Schadenersatz aus culpa in contrahendo (c.i.c.) Rückzahlung der um die Fondsausschüttungen verminderten Darlehenszinsen sowie Zahlung des Ablösebetrags, zzgl. einer Verzinsung der aus ihren Eigenmitteln geleisteten Zahlungen.

Die Kläger traten im Dezember 1988 dem geschlossenen Immobilienfonds G. (W-Fonds Nr. X) als Gesellschafter bei und nahmen zur Finanzierung ihrer aus zwei Anteilen bestehenden Fondsbeteiligung ein endfälliges Darlehen i.H.v. nominal 68.696 DM bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf. Dabei unterschrieben sie mit Datum 13.12.1988 den Eintrittsantrag für zwei Fondsanteile im Nennwert von jeweils 30.650 DM sowie mit Datum 15.12.1988 den Darlehensvertrag, welchen die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Datum 29.12.1988 gegenzeichnete. Dem Darlehensvertrag war keine Widerrufsbelehrung beigefügt. Ihren Beitritt zur Fondsgesellchaft ließen die Kläger am 15.12.1988 notariell beurkunden. Darlehensvertrag und Fondsbeitritt sind verbundene Geschäfte.

Im Januar 1999 zahlten die Kläger das Darlehen mit Hilfe eines anderweitig aufgenommenen Darlehens vorzeitig zurück, worauf die Beklagte die von den Klägern gestellten Sicherheiten freigab.

In der Anspruchsbegründung vom 3.4.2006 erklärten die Kläger unter Berufung auf das Haustürwiderrufsgesetz den Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen.

Wegen weiterer Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, wegen des streitigen Parteivortrags in erster Instanz sowie wegen der dort gestellten Anträge der Parteien wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Es hat entschieden, dass ein Rückgewähranspruch der Kläger aus § 3 HausTWG nicht bestehe, weil das Widerrufsrecht der Kläger gem. § 2 Abs. 1 Satz 4 HausTWG erloschen sei, und ein Schadensersatzanspruch der Kläger aus c. i. c. wegen unterlassener Widerrufsbelehrung nicht gegeben sei, weil jedenfalls die von den Klägern darzulegende und zu beweisende Kausalität der Pflichtverletzung für den Schadenseintritt nicht festgestellt werden könne.

Die Kläger haben gegen das Urteil des LG form- und fristgerecht Berufung eingelegt und begründet. Sie rügen die Verletzung materiellen Rechts und vertreten unter Erweiterung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiterhin die Auffassung, dass ihr Widerrufsrecht nicht gem. § 2 Abs. 1 Satz 4 HausTWG erloschen sei, weil die vollständige Leistungserbringung im Sinne des Gesetzes frühestens dann vorliege, wenn der Darlehensnehmer wieder aus der Fondsgesellschaft ausgeschieden sei. Die Entscheidung des LG, dass ein Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo nicht bestehe, greifen die Kläger in der Berufung nicht mehr ausdrücklich an.

Die Kläger stellen in der Berufung den Antrag, das Urteil des LG aufzuheben und die Beklagte zur verurteilen, an die Kläger 50.354,73 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich seit Zustellung des Mahnbescheids (19.1.2005) zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Kläger gegen die G. (W.-Fonds Nr. X).

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des LG unter Bekräftigung und Vertiefung ihres bereits in erster Instanz gehaltenen Sachvortrags und nimmt dabei auch auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 10.4.2008 (C-412/06) Bezug, welche auf den Vorlagebeschluss des Senats vom 2.10.2006 (6 U 8/06) ergangen ist.

Wegen der Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien in der Berufung wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die Berufung der Kläger ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Die Kläger haben weder ein...

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