Leitsatz (amtlich)
1. Fehlt dem Jahresabschluss einer GmbH der Anhang, so sind der Jahresabschluss und der darauf beruhende Gewinnverwendungsbeschluss nichtig. Eine danach rechtsgrundlos vorgenommene Ausschüttung an die Gesellschafter ist zurückzuzahlen.
2. Die Verpflichtung eines Gesellschafters, die restliche Stammeinlage zu bezahlen, wird nicht dadurch erfüllt, dass er Mittel der Gesellschaft zur Zahlung verwendet, die ihm rechtsgrundlos als Gewinnausschüttung ausgezahlt worden sind.
3. Der Rückzahlungsanspruch wird nicht dadurch erfüllt, dass der Gesellschafter eine Zahlung an die Gesellschaft mit der Bestimmung erbringt, damit auf die Verpflichtung zur Einzahlung der Stammeinlage leisten zu wollen.
4. Der Gesellschafter schuldet deshalb nicht nur die Rückzahlung der rechtsgrundlosen Ausschüttung; er bleibt daneben auch zur Zahlung der Stammeinlage verpflichtet, wenn er eine rechtsgrundlos vorgenommene Gewinnausschüttung zur Zahlung auf die Stammeinlagepflicht verwendet. Die Rückzahlung der Ausschüttung hat nicht zugleich Tilgungswirkung für die Stammeinlagepflicht.
Verfahrensgang
LG Tübingen (Urteil vom 20.03.2003; Aktenzeichen 21 O 102/01) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 21. Kammer für Handelssachen des LG Tübingen vom 20.3.2003 - 21 O 102/01 KfH - wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Streitwert: 29.527,10 Euro
Gründe
I. Der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der K. GmbH verlangt vom Beklagten als einem der Gesellschafter Zahlung einer Restforderung auf die Stammeinlageforderung sowie Rückzahlung einer Netto-Gewinnausschüttung i.H.v. jeweils 13.421,41 Euro zzgl. Zinsen. Außerdem nimmt er den Beklagten als Gesamtschuldner auf anteilige Zahlung einer rückständigen Stammeinlage des Mitgesellschafters S. in 2.684,28 Euro in Anspruch; der Beklagte hatte dessen Geschäftsanteil anteilig erworben.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und ihre in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das LG hat der Klage stattgegeben; wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Der Beklagte hat gegen das am 3.4.2003 zugestellte Urteil die Berufung fristgerecht eingelegt und begründet.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das LG habe verkannt, dass mit der Einzahlung durch den Beklagten alle Stammeinlageverpflichtungen erbracht worden seien. Für die Annahme einer verdeckten Sacheinlage fehle es am zeitlichen und sachlichen Zusammenhang. Die Verpflichtung der Gesellschaft zur Gewinnauszahlung sei erst im Juli 1997 entstanden; sie habe nicht bei Gesellschaftsgründung 1994 schon als Sacheinlage erbracht werden können.
Wie schon in erster Instanz bringt er vor, die Netto-Dividende i.H.v. 13.42,44 Euro sei nicht ohne Rechtsgrund gezahlt worden. Weder der Gewinnausschüttungsbeschluss noch der zugrunde liegende Jahresabschluss 1996 seien nicht. Der Jahresabschluss sei vom Steuerberater der Gesellschaft unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsvorschriften erstellt und den Gesellschaftern zur Beschlussfassung vorgelegt worden. Der Beklagte bestreitet, dass der Jahresabschluss wegen eines fehlenden Anhangs nichtig sei. Ein Mangel sei nicht dargelegt. Die formelle Berufung auf §§ 264, 284 HGB begründe keinen Mangel des Jahresabschlusses. Die kleine GmbH bedürfe eines Anhangs, über dessen Form sage das HGB nichts. Der Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit sei beachtet.
Der Beklagte wiederholt seinen Vortrag dazu, dass der Jahresabschluss auch nicht wegen Überbewertungen nichtig sei und dass auch kein Rückzahlungsanspruch nach §§ 30, 31 GmbHG bestehe.
Aus denselben Gründen hafte der Beklagte auch nicht als Gesamtschuldner für derartige Ansprüche gegen den Gesellschafter S.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 3.7.2003 Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Auch im Hinblick auf den Hinweis des Senats, dass anstelle von § 19 Abs. 5 GmbHG die Regelung des § 19 Abs. 2 GmbHG anwendbar sein könnte, trägt der Kläger vor, dass dies dahinstehen könne, weil eine Verrechnung nur zulässig sei, wenn eine liquide, fällige und vollwertige Forderung vorliege. Das sei bei dem vermeintlichen Gewinnanspruch des Beklagten nicht der Fall gewesen. Die wirksame Verrechnung setze voraus, dass überhaupt ein verteilungsfähiger Gewinn entstanden sei. Das sei nach dem berichtigten Jahresabschluss 1996 nicht der Fall gewesen und auch im Jahr 1997 sei kein zu verteilender Gewinn erzielt worden. Außerdem sei die Gewinnauszahlung nach § 30 GmbHG unzulässig gewesen. Wegen der Ei...