Leitsatz (amtlich)
Bei einem Unternehmen in der Aufbauphase (Entwicklung eines Großluftschiffes für Transportzwecke - Cargolifter), das in erheblichem Umfang laufend Subventionen der öffentlichen Hand erhält, kann im Rahmen einer Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis drohender Zahlungsunfähigkeit nicht daraus hergeleitet werden, dass das Unternehmen ohne in Aussicht gestellte weitere Subventionszahlungen, die aber nicht rechtsverbindlich zugesagt sind, in absehbarer Zeit illiquide wird.
Normenkette
InsO § 133 Abs. 1, § 18
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 20.05.2008; Aktenzeichen 26 O 181/05) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 20.5.2008 (26 O 181/05) wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 111.913,76 EUR
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung die Rückzahlung von insgesamt 111.913,76 EUR.
Die im Jahre 1996 gegründete CL. AG hatte die Entwicklung, den Bau, den Betrieb und den Vertrieb von Großluftschiffen zum Unternehmensgegenstand. Über das Stadium der Entwicklung eines Luftschiffes kam das Unternehmen, das sich zunächst über seine Aktionäre finanzierte, aber nicht hinaus. Im Jahresabschlussbericht zum 31.8.2001 wies die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft E.&Y. darauf hin, dass die liquiden Mittel den Fortbestand des Unternehmens nur noch bis zum Jahresende gewährleisten (K 5). Eine Kapitalerhöhung um etwa 34 Mio EUR wurde veranlasst. Die Gemeinschuldnerin bat das Land B. um Unterstützung bei einer Zwischenfinanzierung mit 100 Mio EUR (K 14). Die Beklagte wurde von ihr mit der Finanzierungsberatung beauftragt (B 2). In einem Bericht der eingeschalteten Firma R. B. vom 18.1.2002 wurde ein zusätzlicher Kapitalbedarf von 700 bis 800 Mio EUR zur Umsetzung des Geschäftskonzepts erwartet (K 6). Mit Schreiben vom 8.3.2002 bat die Gemeinschuldnerin das Land B. nochmals um Unterstützung bei der Zwischenfinanzierung im Hinblick auf ein in Aussicht stehendes Darlehen des Bundes im Jahre 2003 über 300 Mio EUR (K 11). Mit Schreiben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft C&L D. R. vom 12.3.2002 wurde die Gemeinschuldnerin auf das bei Bundes- und Landesbürgschaften notwendige Eigenobligo der kreditgebenden Banken von 20 % hingewiesen (K 13). Am 04.04., 15.04., 22.04., 08.05. und 21.5.2002 erhielt die Beklagte mehrere Honorarzahlungen i.H.v. insgesamt 111.913, 76 EUR. Die Gemeinschuldnerin lies sich von einem Rechtsanwalt hinsichtlich ihrer Insolvenzantragspflicht beraten. Am 7.6.2002 beantragte sie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Das Insolvenzverfahren wurde am 1.8.2002 eröffnet.
Das LG hat nach Einholung eines schriftlichen und mündlichen Sachverständigengutachtens die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz könne nicht festgestellt werden, weil zum Zeitpunkt der Zahlungen an die Beklagte noch keine Zahlungsunfähigkeit vorgelegen habe. Auch eine drohende Zahlungsunfähigkeit könne nicht angenommen werden.
Mit der Berufung macht der Kläger geltend, der Sachverständige habe fehlerhaft Überschuldung statt Zahlungsunfähigkeit zum Gegenstand seines Gutachtens gemacht. Auch habe er nur Bilanzen herangezogen, richtigerweise sei aber eine Liquiditätsbilanz zu erstellen. Auch sei die Gemeinschuldnerin isoliert zu betrachten, eine Konzerninsolvenz gebe es nicht. Bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit habe der Sachverständige fehlerhaft ein subjektives Element - die Kenntnis des Vorstandes - berücksichtigt. Das LG habe die Anforderungen an die Feststellung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes überspannt. Auch die Voraussetzungen der bereits seit Gründung der Gemeinschuldnerin vorliegenden drohenden Zahlungsunfähigkeit habe das LG verkannt. Diese ergebe sich insbesondere aus dem Umstand, das ein Beratungshonorar i.H.v. weiteren insgesamt ca. 66.000 EUR nicht an die Beklagte bezahlt worden sei. Außerdem seien der Beklagten als Beraterin die Tatsachen, aus denen der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz folge, bekannt gewesen. Von der nicht fristgerechten Zahlung der streitgegenständlichen Rechnungen sei auf die Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit zu schließen.
Der Kläger beantragt: Unter Abänderung des am 20.5.2008 verkündeten Urteils des LG Stuttgart (26 O 181/05) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 111.913,76 nebst Zinsen von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.9.2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung ihres Vorbringens.
Hinsichtlich der weiteren Einzelh...