Verfahrensgang
LG Ravensburg (Urteil vom 30.07.2009; Aktenzeichen 3 O 80/2009) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 30.07.2009 – 3 O 80/09 – wird
2. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 320.000 EUR
Tatbestand
A.
Der Kläger begehrt wegen einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung bei seiner Geburt Schmerzensgeld von der Beklagten Ziffer 1 als Trägerin des …krankenhauses B. und von der Beklagten Ziffer 2 als geburtsleitender Ärztin.
I.
Bei der Geburt des Klägers am ….2007 im …krankenhaus B. unterliefen den Beklagten Versäumnisse, die beim Kläger infolge einer Sauerstoffunterversorgung zu schwersten hirnorganischen und weiteren Schädigungen führten. Das Landgericht hat insbesondere festgestellt, dass der Kläger unter einer globalen Retardierung mit schwerster geistiger Behinderung, einer Microcephalie, einer ausgeprägten spastischen Tetraparese mit Gelenkkontrakturen, einer symptomatischen fokalen Epilepsie, einer Schluckstörung und unter einer schweren chronischen Ateminsuffizienz leidet. Er wurde bis Mai 2009 mit Sauerstoff beatmet; seitdem wird ihm nachts über eine Maske Raumluft zugeführt. Im Übrigen wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen wird.
Die Haftung der Beklagten ist zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig. Auf die Aufforderung des Klägers, bis zum 30.09.2007 ein Schmerzensgeld i.H.v. 500.000 EUR zu zahlen, leistete die Haftpflichtversicherung der Beklagten am 25.03.2008 einen Vorschuss i.H.v. 200.000 EUR. Die Zahlung weiterer 300.000 EUR lehnte sie unter Hinweis auf die unsichere Lebenserwartung des Klägers ab und schlug vor, statt dessen eine monatliche Rente i.H.v. 600 EUR zu zahlen, worauf sich der Kläger aber nicht einließ. Die Haftpflichtversicherung leistete auf den Schmerzensgeldanspruch am 26.03.2009 weitere 3.600 EUR und im Juli weitere 600 EUR.
Mit der Klage verlangt der Kläger weiteres Schmerzensgeld in Form eines Kapitalbetrages in Höhe von insgesamt 500.000,– EUR.
Wegen der Anträge und der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf das landgerichtliche Urteil verwiesen.
II.
Das Landgericht hat insgesamt ein Schmerzensgeld von 500.000 EUR für angemessen erachtet und dem Kläger unter Berücksichtigung der Vorschusszahlungen 295.800 EUR zuerkannt.
Der Kläger müsse sich nicht darauf verweisen lassen, einen Teil des Schmerzensgeldes in Form einer Rente zu erhalten. Insoweit stehe ihm das Wahlrecht zu, ob er eine einmalige Zahlung oder regelmäßige Rentenzahlungen beanspruche. Ohnehin lasse sich die angemessene Rentenhöhe faktisch nicht ermitteln, weil eine „durchschnittliche Lebenserwartung” eines schwerstgeschädigten Kindes nicht bekannt sei. Der Betrag von insgesamt 500.000 EUR sei angemessen. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Zustand des Klägers gegenwärtig so kritisch sei, dass mit einer deutlichen Verschlechterung in unmittelbarer naher Zukunft gerechnet werden müsse. Die Beklagten könnten nicht damit gehört werden, eine Rentenzahlung sei auch für den Kläger sinnvoller. Es falle in die Verantwortung des Klägers, mit einem zuerkannten Kapitalbetrag zu wirtschaften. Zudem ermögliche ein solcher dem Kläger, auch größere Investitionen durchzuführen.
III.
Gegen das den Beklagten am 04.08.2009 zugestellte Urteil haben diese mit am 17.08.2009 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 04.11.2009 – am 03.11.2009 begründet.
1. Die Beklagten machen insbesondere geltend, angesichts der Instabilität der gesundheitlichen Situation des Klägers, bei dem nicht einmal die Aufrechterhaltung der Vitalparameter gesichert sei, könne derzeit keine Prognose darüber abgegeben werden, ob dieser das Erwachsenenalter erreiche. Angesichts dessen sei ein Schmerzensgeldbetrag von 500.000 EUR gegenwärtig nicht gerechtfertigt, sondern der gezahlte Vorschuss i.H.v. 200.000 EUR ausreichend. Gerade dem Kriterium der Leidensdauer komme bei der Bemessung des Schmerzensgeldes entscheidende Bedeutung zu. Diese prognostische Fragestellung sei dem (Sachverständigen-)beweis zugänglich. Wenn man aber mit dem Landgericht davon ausgehe, zur Lebenserwartung des Klägers ließen sich keine zuverlässigen Feststellungen treffen, gehe dies angesichts der Beweislast des Klägers für die erlittenen Beeinträchtigungen zu seinen Lasten und führe im Ergebnis zu einer Minderung des Schmerzensgeldes.
Die Gewährung einer Schmerzensgeldrente entspreche bei dieser Sachlage auch den Interessen des Klägers und vermeide eine teilweise Abweisung der Klage. Keinesfalls wolle sich die Haftpflich...