Verfahrensgang
LG Rottweil (Aktenzeichen 1 O 3/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Rottweil vom 29.7.2020 (1 O 3/19) abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.857,32 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. September 2018 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 958,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. September 2018 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger 1/3, die Beklagte 2/3.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert: 17.748,01 EUR
Gründe
A. I. Der Kläger verlangt Ersatz von Fahrtkosten seiner Ehefrau für Besuchsfahrten und Ersatz für im Rahmen dieser Besuche erbrachte Leistungen der Ehefrau nach einem Unfallereignis vom 26. Januar 2015.
1. Der Kläger ist am 26. Januar 2015 eine Treppe zum Heizungskeller der Turnhalle in xxx herabgestürzt und wurde dabei schwer verletzt; er erlitt unter anderem
ein Polytrauma, ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und eine Rippenserienfraktur. Die Verletzungen bewirkten eine Pflegebedürftigkeit des Klägers. Er ist in einem Pflegeheim
in xxx untergebracht. Im Rahmen eines vorangegangenen Verfahrens (1 O 93/15; Senat 4 U 24/16) wurde festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger
2/3 des durch das Unfallereignis entstandenen materiellen und immateriellen Schadens zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind. Die Parteien haben schließlich einen Vergleich abgeschlossen, wonach der Kläger ein weiteres Schmerzensgeld i.H.v. 116.333 EUR erhalten hat; die Feststellung der Ersatzpflicht für materielle Schäden aus den Urteilen des Landgerichts Rottweil vom 3. Februar 2016 (1 O 93/15) und des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 27. Juli 2016 (4 U 24/16) in den Ziffern I. 2a und 2c sowie III. wurde aufrechterhalten.
Der Kläger macht geltend, seine Ehefrau sei die einzige Bezugsperson für ihn, um kognitive Anreize, eine Teilhabe am Leben zu ermöglichen und ihm die dafür notwendigen Hilfestellungen zu geben. Für die Zeit vom 1. Juni 2015 bis 31. August 2018 (also drei Jahre und drei Monate) macht der Kläger unter Berücksichtigung der festgelegten Quote Kilometergeld für insgesamt 834 Besuchsfahrten zu jeweils 13 Kilometer mit 0,30 EUR pro Kilometer geltend, weiterhin 30,00 EUR pro Besuchstag für die Leistungen seiner Ehefrau.
Zwischen den Parteien besteht Streit, ob insoweit ein Ersatzanspruch besteht.
II. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
1. Der Kläger habe keinen Ersatzanspruch hinsichtlich der Fahrt- und Besuchskosten als Kosten einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Da sich der Kläger nicht mehr in einer stationären Krankenhausbehandlung befinde, um seinen Zustand zu verbessern, sondern in einer Pflegeeinrichtung, diene der Aufenthalt ersichtlich nicht mehr einer Verbesserung des Zustands des Klägers, sondern dessen notwendiger Pflege. Die Pflegeeinrichtung diene offensichtlich nicht der Heilung, sondern nur der Pflege und dem Erhalt der Fähigkeiten des Klägers, weshalb auch die Rechtsprechung zu einer Erstattungsfähigkeit von Fahrtkosten in Reha- oder Pflegeeinrichtungen nicht angewandt werden könne, zumal der Kläger mitgeteilt habe, dass er austherapiert sei.
2. Der Kläger könne sich auch nicht auf einen Ersatzanspruch aufgrund vermehrter Bedürfnisse gemäß § 843 Abs. 1 BGB berufen. Nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung seien von Angehörigen übernommene Pflegeleistungen, die auch ein Dritter gegen Entgelt erbringen könne, im Rahmen des Erforderlichen auszugleichen; maßgeblich sei insoweit der Nettolohn einer vergleichbaren, entgeltlich eingesetzten Pflegekraft. Insoweit gehe es darum, dem verletzungsbedingt in seiner privaten Lebensführung beeinträchtigten Verletzten diejenigen finanziellen Mittel zukommen zu lassen, die notwendig seien, um diese Beeinträchtigungen auszugleichen. Ziel sei die Ermöglichung einer privaten Lebensführung, als ob keine Verletzung vorliege. Allerdings sei der Aufwand für vermehrte Zuwendungen nicht ersatzfähig, weil diesen aufgrund ihres höchstpersönlichen Charakters jeglicher Marktwert fehle, weshalb eine vermögensrechtliche Bewertung nicht möglich sei. Persönliche Zuwendung sei einer Kommerzialisierung nicht zugänglich. Die Besuche der Ehefrau seien zwar geeignet, das psychische Wohlbefinden des Klägers zu steigern und auch kognitive Anreize zu bieten, dies sei aber nicht zwingend notwendig und erforderlich, weil im Pflegeheim sämtliche notwendigen und erforderlichen Maßnahmen einer vollstationären Pflege gesichert werden müssten.
3. Die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens sei insoweit nicht veranlasst, da es nicht um...