Leitsatz (amtlich)

1. Der Hersteller des Motors eines vom sog. Diesel-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs (Audi A 4, EA 189) haftet gegenüber dem Erwerber eines Gebrauchtwagens aus §§ 826, 31 BGB.

2. Zinsen aus dem Kaufpreis gem. § 849 BGB stehen dem Erwerber in einem solchen Fall nicht zu.

 

Normenkette

BGB §§ 31, 826, 849; EGV 715/2007; ZPO § 138

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 11.12.2018; Aktenzeichen 19 O 89/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 11.12.2018, Az. 19 O 89/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.030,12 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2018 zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs der Marke Audi Typ A4 2.0 TDI Avant mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) ... nebst 2 Fahrzeugschlüsseln, Kfz-Schein, Kfz-Brief und Serviceheft.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der im Tenor Ziffer 1 genannten Zug um Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung i.H.v. 473,62 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2018 zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

III. Die Kosten beider Rechtszüge tragen der Kläger zu 35 % und die Beklagte zu 65 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 13.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit dem Kauf eines vom VW-Abgasskandal betroffenen gebrauchten Pkws Audi Typ A4 2.0 TDI Avant.

Der Kläger erwarb dieses gebrauchte und unstreitig mit einem EA 189-Motor ausgestattete Fahrzeug, das von der A. AG hergestellt wurde und dessen Motor von der Beklagten stammt, am 14.09.2012 bei einem km-Stand von 120.000 km (Erstzulassung 23.04.2009) zum Preis von 17.000,00 EUR bei der X. GmbH & Co. KG in ....

Das Fahrzeug verfügte zum Zeitpunkt des käuflichen Erwerbs über eine EG-Typgenehmigung. Es war mit einer Software ausgestattet, die die Einhaltung der nach der Typengenehmigung gem. Verordnung (EG) Nr. 715/2007 für die Schadstoffklasse Euro 5 erforderlichen Grenzwerte für Auspuff- und Verdunstungsemissionen ausschließlich im Prüfzyklus (NEFZ) gewährleistet. Die installierte Software steuert den Motor des Fahrzeugs und erkennt, ob es sich im Testlauf unter Laborbedingungen oder im normalen Straßenverkehr befindet. Dabei erfolgt die Motorsteuerung im Testlauf unter Laborbedingungen dergestalt, dass mittels einer Abgasrückführung eine Reinigung der Abgase erfolgt und im Ergebnis die Emissionsgrenzwerte entsprechend der genannten Verordnung eingehalten werden (Abgasrückführungsmodus 1). Demgegenüber ist im Betriebsmodus des normalen Straßenverkehrs der Abgasrückführungsmodus 0 aktiv, in dem keine bzw. eine deutlich geringere Abgasrückführung stattfindet, so dass im Betrieb dieses Abgasrückführungsmodus' die Emissionsgrenzwerte der o.g. Verordnung nicht eingehalten werden.

Das Kraftfahrt-Bundesamt stellte fest, dass es sich bei der Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S. des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handelt, und ordnete gegenüber der Beklagten und der A. AG am 14.10.2015 und 11.12.2015 an, die unzulässige Abschalteinrichtung bei allen betroffenen Fahrzeugen zu entfernen (vgl. Anl. B 2, Anlagenordner). Die Beklagte entwickelte in der Folgezeit technische Maßnahmen, mit Hilfe derer dies erreicht werden sollte. Ab Januar 2016 sollte eine Software-Änderung in die betroffenen Fahrzeuge eingespielt werden mit dem Ziel, die Abgasnormen ohne Beeinträchtigung der Motorleistung, des Verbrauchs und der Fahrleistung zu erfüllen. Das Kraftfahrt-Bundesamt gab die technische Lösung frei.

Das Software-Update wurde bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug am 06.12.2016 aufgespielt.

Mit Anwaltsschreiben vom 07.02.2018 (Anl. K 27, Bl. 183 ff.) machte der Kläger gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus Betrug und sittenwidriger Schädigung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bzw. § 826 BGB geltend und forderte die Beklagte zur Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 17.000,00 EUR binnen zwei Wochen auf. Die Beklagte kam dem nicht nach.

Mit der Klage verfolgt der Kläger seine behaupteten Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 823 Ab...

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