Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfolgen der gerichtlichen Feststellung ehebedingter Nachteile
Leitsatz (amtlich)
1. Ein fortwirkender ehebedingter Nachteil kann auch zu einer Unterhaltsbegrenzung nach § 1578b Abs. 1 BGB führen.
2. Hat eine unterhaltsberechtigte Ehefrau den Beruf einer Bankkauffrau erlernt und infolge einer Familienpause ca. 20 Jahre lang in diesem Beruf nicht mehr gearbeitet, so können bei bestehender Erwerbsobliegenheit Einkünfte aus einer Tätigkeit als Bürohilfskraft zugerechnet werden.
Normenkette
BGB § 1573 Abs. 2, § 1578b Abs. 1
Verfahrensgang
AG Tuttlingen (Urteil vom 20.05.2009; Aktenzeichen 3 F 211/09) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des AG - Familiengericht - Tuttlingen vom 20.5.2009 - 3 F 211/09 - abgeändert:
In Abänderung von Ziff. 4 des Urteils des AG - Familiengericht - Tuttlingen vom 16.12.2002 - 1 F 625/99 - wird der Kläger verurteilt, der Beklagten nachehelichen Ehegattenunterhalt zu zahlen wie folgt:
a) mit Wirkung ab dem 29.4.2009 i.H.v. monatlich 618 EUR
b) und ab dem Monat Januar 2012 i.H.v. monatlich 500 EUR.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen, die weitergehende Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen haben der Kläger 80 % und die Beklagte 20 % zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Berufungsstreitwert: 8.016 EUR.
Tatbestand
I. Die Parteien sind geschiedene Eheleute und streiten um die Abänderung nachehelichen Ehegattenunterhalts. Dieser ist zugunsten der Beklagten mit monatlich 668 EUR tituliert, und zwar infolge eines klägerseits erklärten Anerkenntnisses durch Scheidungsverbundurteil des AG - Familiengericht - Tuttlingen vom 16.12.2002 - 1 F 625/99, dort: Ziff. 4 in berichtigter Fassung. Mit seiner am 29.4.2009 zugestellten Abänderungsklage erstrebt der Kläger den Wegfall der Unterhaltsverpflichtung ab dem 1.4.2009. Das Familiengericht hat dem stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Der Ehemann ist am 21.9.1958 geboren, die Ehefrau am 15.2.1964. Am 29.7.1988 haben die Parteien geheiratet. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen: K., geboren am 4.11.1989, A., geboren am 4.3.1992, und J., geboren am 1.5.1994. Am 1.7.1997 haben sich die Eheleute voneinander getrennt. Am 22.12.1997 wurde das Scheidungsverfahren rechtshängig. Seit dem 8.2.2003 ist der Scheidungsausspruch rechtskräftig. Die drei Kinder wuchsen nach der Trennung bei der Mutter auf. Für A. und J. bezahlt der Vater monatlich laufend Kindesunterhalt i.H.v. jeweils 333 EUR. Der älteste Sohn K. wechselte im Jahr 2008 zum Kläger. In dessen Wohnung bewohnt er ein Zimmer mit einer Größe von zwischen 23 m2 und 24 m2. K. befindet sich in Ausbildung und erhält eine Ausbildungsvergütung i.H.v. monatlich 290 EUR.
Das Familiengericht hat mit der angefochtenen Entscheidung antragsgemäß entschieden, dass der Ehefrau ab 1.4.2009 kein Unterhalt mehr zustehe. Lege man für sie einen fiktiven Bruttostundenlohn von 8,50 EUR zugrunde, erziele sich hieraus ein monatsdurchschnittliches Netto von 1.062,09 EUR; sie könne sich selbst unterhalten. Zum selben Ergebnis gelange man, wenn man ihren Unterhalt befriste. Das ergebe eine Gesamtabwägung und die nunmehr sechs Jahre währende Unterhaltszahlung durch den Ehemann.
Dagegen wendet sich die Beklagte. Sie macht geltend, bis 2008 nicht zu einer Erwerbstätigkeit verpflichtet gewesen. Die Söhne K. und J. hätten unter ADS-Symptomen gelitten. Sie habe den Beruf einer Bankkauffrau erlernt, diesen aber seit nunmehr über 20 Jahren nicht mehr ausgeübt. In der Zwischenzeit habe sie sich lediglich durch einen sog. Europäischen Wirtschaftsführerschein sowie EDV-Kurse weiter qualifiziert. Auf über 50 ausgeschriebene Stellen habe sie sich beworben, außerdem noch 16 Mal im Wege der Initiativbewerbung. Diese Bewerbungen hätten dazu geführt, dass sie nunmehr auf Basis einer geringfügigen Tätigkeit arbeite und aus dieser Beschäftigung seit dem Monat April 2009 monatlich 330 EUR erziele. Außerdem habe sie nun eine befristete Teilzeitstelle bei einem Kreditinstitut in Aussicht. Dort werde sie voraussichtlich an 80 bis 90 Stunden im Monat zu einem Bruttostundenlohn von 10 EUR arbeiten können. Dem Kläger seinerseits sei die Zahlung von Ehegattenunterhalt ohne weiteres möglich. So verfüge er über Einkünfte, auch entnommene Gewinne, als geschäftsführender Gesellschafter einer R. GmbH, außerdem über Einkünfte aus Vermietung eines Hausgrundstücks V. in L.
Er lebe mietfrei in dem im Miteigentum mit seinem Bruder stehenden Wohnhaus R. 2 in T. Die Wohnung weise ein Wohnfläche von 150 m2 auf, befinde sich in bester Wohnlage T. und führe deshalb bei Ansatz einer m2-Miete von 6,50 EUR zum Ansatz eines Wohnvorteils von 975 EUR. Befriste man den der Beklagten zustehenden Unterhalt, so könne das frühestens auf den Ablauf des Jahres 2014 erfolgen.
Die Beklagte beantragt:
1. Das Urteil des AG Familiengericht Tuttlingen vom 20.5.2009 - 3 F 211/09, wird abgeändert.
2. Die Klage wird abgew...