Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 21.06.2019; Aktenzeichen 28 O 61/19) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.06.2019, Az. 28 O 61/19, wird verworfen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis 13.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen des Kaufs eines - nach seiner Darstellung - vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs geltend.
1. Der Kläger erwarb am 28.06.2016 vom Autohaus H. GmbH zu einem Kaufpreis von 18.730,00 EUR einen gebrauchten Seat Leon ST FR 2.0 TDI mit der Fahrgestellnummer V....
Bei Übergabe hatte der Seat Leon einen Kilometerstand i. H. v. 44.926 km. Unstreitig hatte der Seat Leon bei der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Stuttgart am 09.05.2019 einen Kilometerstand von 129.367 km. Im streitgegenständlichen Fahrzeug befindet sich ein Motor des Typs EA288, EU5 plus.
Der Kläger trägt vor, das streitgegenständliche Fahrzeug sei mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen worden, um im Falle eines Abgastests die zulässigen Abgaswerte zu erreichen. In dem Fahrzeugmotor erfolge eine unterschiedliche Emissionsbehandlung, je nachdem, ob sich das Fahrzeug im NEFZ im Modus 1 oder im Normalbetrieb im Modus 0 befinde. Die Motorsteuerung erkenne anhand von Parametern den Prüfzyklus und wähle den entsprechenden Modus aus. Die Abgasrückführung, die der Reduzierung des Schadstoffausstoßes diene, funktioniere nur auf dem Prüfstand und werde im Normalbetrieb abgeschaltet. So komme es außerhalb des Prüfzyklus zu einer mehrfachen Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte.
Die Beklagte habe den Kläger über die Gesetzeskonformität ihrer Dieselfahrzeuge in sittenwidriger Weise getäuscht, indem sie diese Fahrzeuge ohne Hinweis auf die eingebaute Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht habe. Durch diese Täuschung habe sie den Kläger auch zum Vertragsschluss veranlasst und ihm dadurch einen Schaden zugefügt.
Aufgrund der Organisationsstruktur der Beklagten könne die arglistige Täuschung nur durch die "höchsten Ebenen" des Unternehmens veranlasst worden sein.
Mit seiner Klage vom 30.01.19 hat der Kläger erstinstanzlich die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 18.730,01 EUR abzüglich einer noch zu beziffernden Nutzungsentschädigung Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs geltend gemacht. Außerdem begehrte er die Feststellung, dass die Beklagte sich mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde und die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. In dem streitgegenständlichen Fahrzeug bzw. Motor komme eine unzulässige Abschalteinrichtung nicht zum Einsatz. Das in den EA288-Motoren enthaltene Emissionskontrollsystem arbeite auf dem Prüfstand sowie im normalen Fahrbetrieb mit identischer Wirksamkeit.
2. Das Landgericht Stuttgart hat die Klage abgewiesen. Es unterstellt gedanklich, dass in das streitgegenständliche Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut ist. Hiervor ausgehend, führt es aus, dass der Kläger - die Betroffenheit des streitgegenständlichen Motors vom sog. Dieselskandal unterstellt - einen Schaden erlitten habe. Dieser sei auch als sittenwidrig zu qualifizieren.
Trotzdem verneint das Landgericht Stuttgart eine Haftung der Beklagten, da es keine kausale Schadensverursachung durch die Beklagte sieht. Erforderlich sei ein adäquat-kausaler Zusammenhang unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm. Dieser sei im vorliegenden Fall zu verneinen, da die Beklagte nicht die Herstellerin des Fahrzeugs, sondern nur des Motors gewesen sei und damit lediglich Zulieferin der eigentlichen Herstellerin. Unmittelbar Geschädigte der Manipulationen durch die Beklagte sei damit die Fahrzeugherstellerin, deren Fahrzeuge vom "Dieselskandal" betroffen seien. Die Beschränkung des Schutzbereichs auf die in diesem Sinne unmittelbar Betroffenen verhindere eine Ausuferung der Aktivlegitimation zugunsten einer Vielzahl von Geschädigten. Die Einbeziehung in den Schutzbereich des § 826 BGB werde umso problematischer, je weiter der Anspruchsteller von der sittenwidrigen Handlung entfernt sei und dessen Schädigung gleichsam nur noch als Reflex des dem unmittelbar Verletzten entstandenen Schadens anzusehen sei. Würde man sämtliche Erst- und Folgeerwerber in den Schutzbereich des § 826 BGB einbeziehen, ließe dies eine nahezu grenzenlose Haftung des Schädigers entstehen. Es könne daher "im Dunkeln bleiben", ob der Motor EA288 vom sog. Dieselsk...